Dämon
den Seiten aus und blickte hinauf an die Decke, wo er den langen Schatten folgte, die von der Straßenlaterne vor seiner Garage geworfen wurden.
Es war der dritte derartige Traum, den er seit dem Tod seiner Frau geträumt hatte.
Er rollte sich auf die Seite, hellwach, und starrte die Wand an. Irgendetwas stimmte nicht. Aber was? Durch das offene Fenster sah er, wie sich die Bäume im Hinterhof im Wind wiegten. Neben seinem Bett leuchtete das Licht des Babyfons in dunklem Rot und erhellte einen kleinen Ausschnitt seines Nachttisches. Alles war an seinem Platz, und doch stimmte etwas nicht. Irgendetwas zerrte an Brogans Unterbewusstsein. Etwas Merkwürdiges. Auf der anderen Seite des Zimmers standen die Porzellanpferde seiner Frau auf der Kommode, und ihre Spiegelbilder glänzten in dem großen Spiegel dahinter. Die Reflexion war ein wenig verschmiert; der untere Teil des Spiegels sah aus wie beschlagen.
Brogans Blicke wanderten nach oben, und er stellte fest, dass der Rest des Spiegels genauso aussah. Wie ein Badezimmerfenster nach einer heißen Dusche. Irgendetwas stand auf dem Spiegel geschrieben.
In diagonaler, ungelenker Schrift, quer über die gesamte Breite, stand auf dem beschlagenen Glas:
Meine Zeit wird kommen
Jefferson erwachte früh am nächsten Morgen und fuhr zum neuen Bostoner Meeresmuseum. Der Parkplatz war fast leer und lag still im stählernen Grau der Morgendämmerung. Jenseits des dunklen Betons sah er das aufgewühlte Wasser des Hafens und dahinter einen Teil der Stadt. Das Meeresmuseum war ein langes, wie ein Lagerhaus konstruiertes Gebäude. Baumaschinen auf der Rückseite verrieten, dass die Arbeiten noch nicht beendet waren. Jefferson ging durch das vordere Tor unter zwei riesigen Schiffsschrauben hindurch, die oben zusammengeschweißt worden waren und auf diese Weise eine Art Bogen bildeten.
Über dem Eingang hing ein Banner unter seinem eigenen Gewicht durch. Darauf stand zu lesen: »Willkommen im Bostoner Meeresmuseum. Eröffnung im Herbst!«
Durch das Glas sah Jefferson den Schreibtisch eines Wachmanns und einen älteren Mann in Uniform, der sich langsam erhob, um ihm die Tür aufzuschließen.
»Hallo«, sagte der Wachmann und blickte Jefferson durch die halb geöffnete Tür fragend an.
»Hi«, erwiderte Jefferson den Gruß und suchte in seinen Taschen nach seinem Ausweis. »Ich bin Detective Jefferson von der Boston Police. Ich glaube, ein Mitarbeiter unseres Büros hat gestern hier bei Ihnen angerufen. Es geht um einen Blick auf eines Ihrer Ausstellungsstücke. Ein Schiff.«
Der Wachmann lächelte. Er erinnerte Jefferson an einen freundlichen Großvater. »Sicher, sicher. Eine Lady hat angerufen, eine wirklich nette Lady. Hat eine Nachricht für den Kollegen von der Tagschicht hinterlassen, aber der ist krank geworden, und ich bin seine Vertretung.«
Ohne einen Blick auf Jeffersons Ausweis öffnete er die Tür und ließ den Besucher eintreten. Hinter Jefferson sperrte er wieder ab, um anschließend zu seinem Schreibtisch zurückzukehren. Eine halb gegessene Orange lag dort zusammen mit der Schale auf einer ausgebreiteten Serviette.
»Entschuldigung«, sagte Jefferson. »Ich wollte Sie nicht beim Frühstück stören.«
Der Wachmann winkte ab. »Kein Problem, wirklich nicht. Ich bin schließlich Wachmann – also kann ich auch hin und wieder mal aus diesem Stuhl aufstehen und ein wenig meine Arbeit tun.«
Während er in den Schubladen seines Schreibtisches kramte und nach der Besucherliste suchte, warf Jefferson einen Blick in die Runde. Die Eingangshalle des Museums war wie das Innere eines Piratenschiffs gestaltet. Es wirkte ein wenig übertrieben. Puppen in Piratenkleidung drängten sich um eine große schwarze Kanone, deren Lauf durch eine Schießscharte auf den Hafen gerichtet war. Eine aufgeklappte Truhe zu ihren Füßen war gefüllt mit glitzerndem Geschmeide und falschen Goldmünzen. Jefferson sah einen Knopf an der Seite der Kanone und stellte sich vor, dass man den aufgezeichneten Knall eines Kanonenschusses hörte, wenn man darauf drückte, gefolgt von Piratengeschrei und dem Rasseln und Klirren von Säbeln, alles bis fast zur Unkenntlichkeit entstellt durch die billigen kleinen Lautsprecher. Es erinnerte Jefferson irgendwie an ein Disneyland für Arme.
An der Seite der Halle zogen sich fünf Portalfenster hin – die Kartenschalter. Auf einem Stück Treibholz stand mit Kreide geschrieben: »Kauf dir dein Ticket, Kumpel, und komm an Bord!«
Jefferson spürte, wie
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