Dämon
Vielleicht.«
Jeffersons Blicke schweiften über McKennas Schulter hinweg durch den Saal. Er entdeckte Vincent an einem Tisch, wo er mit einem weißhaarigen Mann sprach, der unsicher auf den Beinen stand und sich am Tischtuch festhielt. Vincent beugte sich vor und flüsterte dem Mann etwas ins Ohr. Was immer es war, es schien den Mann nicht gerade zu erfreuen, denn er verzog das Gesicht und entfernte sich schwankend von Vincent.
»Ich sehe Vincent«, flüsterte Jefferson.
»Was tut er?«
»Er hat mit irgendeinem Gast geredet«, antwortete Jefferson. »Eins von Richard Lees Mädchen ist ebenfalls hier. Eine gewisse Veronica.«
»Was macht sie hier?«
»Sie sagt, sie wäre heute Abend mit dem Mann hier, der die Party gibt. Einem Gentleman im Rollstuhl …«
Jefferson spürte, wie McKenna sich in seinen Armen versteifte. »Lyerman?«
»Hört sich jedenfalls so an.«
»Aber warum?«
»Keine Ahnung. Lyerman scheint sie sozusagen gebucht zu haben. Es sei denn, es hat sich zufällig ergeben. Woran ich nicht so recht glauben möchte.«
»Du meinst, Lyerman wollte sie bei sich haben? Warum?«
»Ich bin nicht sicher. Vielleicht ist sie …« Er hielt inne.
»Was?«
»Wir haben nie die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass Sidina die Gestalt einer Frau angenommen hat. Vielleicht glaubt Lyerman, sie ist er …«
McKenna beugte sich ganz nah zu Jefferson. »Vincent und Veronica, Brogan und wir beide. Wir alle sind hier, Jefferson. Was, wenn Lyerman sich nicht für die anderen interessiert, sondern für einen von uns?«
»Einen von uns?«
»Für dich oder für mich. Vielleicht bist du die Reinkarnation Sidinas, ohne es zu wissen. Du könntest dein Leben führen, ohne die leiseste Ahnung zu haben, was du einmal warst.«
»Nein. Ich spüre, dass ich es wissen würde. Und ich weiß nichts. Ich fühle nichts. Es kann nicht sein.«
»Kommt dir manchmal nicht alles merkwürdig vertraut vor, und du hast keine Ahnung, woher dieses Gefühl kommt?«, fragte McKenna. »Hast du nicht hin und wieder den Eindruck, ein Leben zu leben, das schon mal gelebt wurde? Ich für meinen Teil habe dieses Gefühl, und ich glaube, so geht es den meisten Menschen, auf die eine oder andere Weise. Man betritt ein Zimmer und trifft jemanden zum ersten Mal, und doch erscheint er einem seltsam vertraut. Als würde man ihn schon seit Jahren kennen. Oder aus einem anderen Leben.«
Die Glocke schlug Mitternacht, und Jubel ging durch die Menge. Ein Band wurde durchtrennt, und aus einem Netz an der Decke schwebten Hunderte von Luftballons.
»Ich muss dir etwas sagen, Will.«
Sie sah ihm in die Augen, und Jefferson wurde von einer Woge der Leidenschaft überschwemmt. Er wünschte sich, weit weg von dieser Party zu sein, von den tanzenden Luftballons und den johlenden Gästen, weg von diesem Dschinn und den vielen Toten. Er wollte ihren Körper spüren wie in St. Petersburg, während das Mondlicht durchs Fenster schimmerte.
Weitere Luftballons sanken herab, rote und orangene diesmal, und breiteten sich aus wie Flammen, wie ein Feuer, das sich gleich einer Flüssigkeit bewegte, über den Boden tanzte, die Wände hinaufleckte. Ringsum Feuer. Geräusche in der Ferne. Schüsse. Schreie.
Mit einem Mal schien Jefferson eine intensive Hitze zu umhüllen … Hitze in einem kleinen unterirdischen Raum … Ein Leichnam an der Wand, aufgehängt wie in dem Mausoleum auf dem Friedhof, doch es war ein anderer Leichnam. In zerfetzter Kleidung, mit nackten Füßen. Weiteres Gewehrfeuer. Jemand wurde getroffen. Blutspritzer überall.
Jefferson wurde schwindlig. Der Saal drehte sich um ihn, alles verschwamm zu einer einzigen undeutlichen Sinneswahrnehmung. Das Lachen, die Musik. Er hörte McKenna wie aus der Ferne nach ihm rufen, während die roten Ballons aus Feuer über den Boden glitten. Jefferson wandte sich ab, wollte sich umdrehen, stieß gegen den Tresen. Die Leute zogen sich mit nervösen Blicken von ihm zurück. Er hielt sich am polierten Holz des Tresens fest. In seinen Ohren rauschte es.
»Alles in Ordnung, keine Bange«, hörte er McKenna zu besorgten Menschen sagen. »Er war krank, er muss sich nur ein wenig setzen.«
Jefferson spürte, wie McKenna ihn zu einem Hocker führte, und er setzte sich darauf. Die roten Luftballons hatten sich über den gesamten Saal verteilt. McKenna musterte Jefferson und legte ihm eine kühlende Hand auf die Stirn.
»Was … was ist passiert?«, fragte er.
Er saß auf einem Stuhl an einem der runden weißen
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