Dämon
war überwältigend.
Auch McKenna starrte wie hypnotisiert auf den Bildschirm. Die Bilder formten ein Mosaik auf der glasigen Feuchte ihrer Augäpfel. Dann war es vorbei, so plötzlich, wie es angefangen hatte. Der Bildschirm war wieder leer und schwarz.
Jefferson atmete tief durch. Er fühlte sich erschöpft.
»Was war das?«, murmelte McKenna.
Über ihnen spielte noch immer die Band.
Dann wurde der Bildschirm erneut hell. Diesmal unterschieden sich die Bilder beträchtlich von den ersten. Jefferson sah Männer in Schützengräben, ein verhungerndes Kind, bedeckt mit Fliegen, den aufgeblähten Leib eines toten Pferdes, ein Holzhaus in lodernden Flammen, eine ausgemergelte, sterbende Frau auf einem Krankenhausbett, ein Mann mit einer Pistole, die er sich an die Schläfe hielt. Hunderte von Bildern, die ausnahmslos den Krieg und den Tod zum Inhalt hatten. Dann, plötzlich, stoppte die rasende Bilderfolge, und ein einzelnes Bild blieb auf dem Schirm, lange genug, dass Jefferson es genau betrachten konnte. Eine Frau saß in einem Stuhl, die Arme und Beine gegen das Holz gepresst, die Haut gerötet und geschwollen von den Fesseln, die in ihr Fleisch schnitten. Auf den Schultern der Frau saß ein Tierkopf.
Es war die Leiche von Sinatras Frau, die sie verstümmelt im Haus des Anwalts gefunden hatten.
Der Schirm wurde dunkel, und eine einfache Textzeile erschien.
Es ist zu spät. Es ist angekommen.
Sie standen nebeneinander in der Dunkelheit des Bürokomplexes. Jefferson spürte, wie er seine Waffe umklammerte, als wolle er den Griff zerquetschen. Das Metall verlieh ihm Sicherheit. Sein Verstand war bereits mehrere Schritte weiter und beschäftigte sich mit der Bedeutung der Bilderflut, die er soeben beobachtet hatte. Irgendjemand in diesem Gebäude besaß die Fähigkeit, diesen Computer aus der Ferne einzuschalten, exakt zur richtigen Zeit. Das bedeutete, dass dieser Jemand ganz genau wusste, wo sich Jefferson und McKenna befanden.
Erneut suchte Jefferson den Saal ab, ließ den Blick über die Abteile mit ihren Schreibtischen, Schreibunterlagen und gerahmten Familienbildern huschen. Dann entdeckte er es. Ein winziger roter Lichtpunkt hoch oben an der Wand. Eine einzelne Überwachungskamera, die genau auf ihn und McKenna zeigte.
Jefferson nahm McKenna am Arm. Ihre Haut fühlte sich trocken und kalt an. Er führte sie zu der Tür mit dem Schild EXIT darüber, hinter der sich das Treppenhaus befand. Im Treppenhaus war die Notbeleuchtung an. Es war hier bedeutend heller als im Bürokomplex; auf jedem Treppenabsatz brannte fluoreszierendes Licht. Die Wände waren aus Beton, aus einem Stück gegossen und himmelblau bemalt, und ein Stahlgeländer zog sich von Absatz zu Absatz.
Sie hielten einen Augenblick im leeren Treppenhaus inne, und Jefferson nahm McKennas Gesicht in beide Hände, während er ihr in die Augen sah.
»Alles in Ordnung mit dir?«
Sie nickte schwach und strich sich eine Locke aus der Stirn. Menschen reagieren auf verschiedene Weise, wenn sie Angst haben. McKennas Reaktion war Wut. Stille Wut. Viele Menschen aus Jeffersons Bekanntenkreis reagierten ähnlich. Man darf die Furcht nicht in sich hineinlassen – wenn sie erst in einem ist, frisst sie einen auf wie Säure, verbrennt einen von innen heraus.
»Mir geht’s so weit gut, keine Sorge«, antwortete sie.
»Bist du sicher? Du musst nicht mit mir hier sein, weißt du?«
»Doch, doch. Kein Problem. Ich bin nicht den ganzen Weg mitgekommen, um dich jetzt allein zu lassen.«
Jefferson lächelte und gab ihr einen raschen Kuss; dann drehte er sich zur Treppe um und blickte nach oben, wo gedämpft der Lärm der Party zu vernehmen war.
»Komm, versuchen wir, die Party ein wenig zu stören, okay?«, sagte McKenna und zwang sich zu einem Lächeln.
Sie stiegen die Treppe hinauf.
Auf dem Absatz des dreißigsten Stocks hielten sie inne. Die Musik war wesentlich lauter geworden; einzig eine dünne Metalltür schirmte das Treppenhaus vom Saal ab. Die Band spielte einen Song von Louis Armstrong.
Vorsichtig öffnete Jefferson die Tür einen Spalt weit und drückte das Gesicht an die Öffnung. Sie befanden sich links von der Bühne; Jefferson sah die Beine der Musiker auf dem Podium von hinten. Vor dem Podium bewegten sich Paare im Takt zur Musik über die große Tanzfläche.
»Fertig?«, fragte Jefferson und spürte einen bestätigenden Händedruck am Arm.
Langsam schob er die Tür weiter auf, und sie schlüpften hindurch und hinter die Bühne. Hand in
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