Dämon
Nadelspitze bohrte sich tief in seine Haut und die darunter liegenden Muskeln. Sie verbog sich, während Brogan herumwirbelte und in greller Wut die Faust hochriss. Doch sein blinder Schlag ging ins Leere. Die Bewegung fühlte sich schwer und träge an, und Brogan verlor das Gleichgewicht. Er krachte gegen den Türrahmen und spürte einen weiteren Nadelstich im Arm, wie eine Wespe, die unter dem Hemd festsaß und voller Panik wieder und wieder zustach.
Brogan wollte aufstehen, doch es fiel ihm unendlich schwer. Tausend Gummibänder schienen ihn am Boden festzuhalten. Er hörte das elektrische Surren des Rollstuhls, als Lyerman sich zu ihm umdrehte. Der Stuhl setzte sich in dem Moment in Bewegung, als Brogan mit dem Gesicht nach vorn kippte. Er rollte zur Seite und blieb liegen.
Lyerman blickte mit gerötetem Gesicht auf ihn herab. »Detective, Sie stören.«
Brogan wollte den Arm heben, schaffte es aber nicht. Ein stechender Schmerz durchzuckte ihn, als Lyermans Rollstuhl über seine Finger fuhr. Es gab ein hörbares Knacken, als Brogans Knochen unter dem Gewicht des Stuhls brachen. Der Schmerz war eigenartig dumpf.
Aus dem Korridor kam Lyermans panamaischer Krankenpfleger ins Zimmer. Er hielt noch immer die Injektionsspritze. Ein kleiner Tropfen einer klaren Flüssigkeit haftete an der Nadelspitze. Der Panamaer sagte etwas zu Lyerman und nickte in Brogans Richtung, doch seine Stimme war leise und so fern, dass Brogan kein Wort verstand. Die unsichtbaren Gummibänder um seinen Körper strafften sich mehr und mehr und zogen ihn hinunter auf den dicken Teppich.
Lyerman antwortete seinem Pfleger. Brogan wusste, dass er zuhören musste, dass es um ihn ging, dass es etwas sehr Wichtiges war, über das die beiden Männer sprachen. Doch er fühlte sich müde, so unendlich müde. Er wollte nur noch schlafen.
Jefferson saß noch immer am Tisch, trank Eiswasser und beobachtete die Tanzenden, die sich übers Parkett bewegten. Das Schwindelgefühl verging nach und nach. Die roten Luftballons waren von der Tanzfläche verschwunden und lagen vergessen in kleinen Trauben entlang den Wänden. Verschwunden war auch die merkwürdige, lang vergessene Erinnerung, die sie in Jefferson hatten aufsteigen lassen.
McKennas Hand streichelte über seinen Oberschenkel. Sie lächelte ihn an. »Wie geht es dir?«
»Ich hab mich schon besser gefühlt, aber es geht«, antwortete Jefferson.
Er fühlte sich tatsächlich besser, doch er machte sich allmählich Sorgen wegen Brogan. Sie hatten ihn seit ihrem Eintreffen noch nicht gesehen. Jefferson zog sein Handy aus der Tasche, klappte es auf und wählte Brogans Nummer. Er hielt das Handy ans Ohr und wartete. Es läutete vier Mal, dann aktivierte sich die Mailbox. Jefferson klappte das kleine Gerät wieder zu und legte es auf den Tisch. Wo immer Brogan steckte, er wollte im Augenblick nicht antworten.
McKennas Hand kam auf Jeffersons Knie zur Ruhe, und sie beobachtete mit einem Lächeln die Tanzenden. Sie sah wunderschön aus.
»Sieh uns an«, sagte Jefferson. »Im Augenblick sehen wir wie zwei ganz gewöhnliche Leute aus.«
»Stimmt.«
»Wir könnten zwei ganz normale Leute sein, die sich auf einer Party amüsieren. Die mit den Kindern zum Fußballtraining fahren, die einen Minivan in der Garage stehen haben …«
»Ja? Möchtest du?«
Jefferson zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Das alles hatte ich nie. Und du? Was für ein Leben wünschst du dir?«
»Ich bin bei dir«, antwortete sie und nahm seine Hand. »Ich bin dort, wo ich sein möchte. Das weiß ich ganz sicher.«
Jefferson sah sie an. Schatten tanzten über ihre Haut. Er beugte sich vor und küsste sie auf die Stirn, hielt seine Lippen dort und roch den Duft ihrer Haare.
Dann lehnte er sich zurück und griff nach dem Handy, um Brogan erneut anzurufen.
Langsam kam Brogan zu sich. Etwas Nasses, Kaltes lag auf seinem Gesicht und hinderte ihn daran, in das friedvolle Nichts des Schlafs zurückzukehren. Er schüttelte den Kopf, doch das Gefühl blieb. Langsam öffnete er die Augen. Kleine Wassertropfen hafteten auf seinen Wimpern. Er wollte den Arm heben, um sie mit dem Handrücken abzuwischen, doch sein Arm reagierte nicht. Ein dumpfer Druck um das Handgelenk hielt ihn an Ort und Stelle fest.
Er saß auf einem Stuhl und war mit den Händen und Füßen am Gestell festgebunden. Sein Jackett war verschwunden. Er riss sich zusammen und öffnete die Augen ganz.
Er befand sich auf dem Dach des Lyerman Building, am Rand des Weges,
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