Dämonen-Reihe Bd. 4 Traumsplitter
schließlich bekomme ich die Folgen zu spüren, wenn der Inkubus umherzustreifen beginnt. Ich bin das Bollwerk, das sie vor dem Dämon schützt. Alles andere ist ihr egal.«
»Und wer weiß, wessen Bollwerk sie wiederum ist«, spann Ella den Gedanken weiter. Eine wilde Theorie, aber sie fühlte sich richtig an. Alles passte zusammen.
Gabriel stieß die Luft durch seine fest aufeinandergebissenen Zähne. »Mir kommt gerade ein ganz übler Gedanke. In den letzten Nächten bin ich unentwegt durch das Grenzgebiet gewandert, auf der Suche nach einem Traum, der stark genug ist, um meine Rechnung beim Inkubus zu begleichen. Aber es hat mich immer wieder zu dir zurückgezogen, dein Traum wirkte auf mich wie ein Magnet. Als ich Bernadette gestern Abend getroffen habe, wollte sie mich regelrecht zwingen, dir deinen Traum zu rauben. Wenn es nach ihr ginge, wärst du das nächste Bollwerk.«
Ella riss Gabriel an der Schulter herum. Sie konnte kaum glauben, was sie da hörte. »Mein Traum wäre stark genug, um den Inkubus zu bezahlen? Und das sagst du so ganz
nebenbei? Wenn das alles ist, was es braucht! Du kannst ihn nehmen. Ich begreife nicht, warum du es noch nicht getan hast.«
»Das kannst du mich doch wohl kaum ernsthaft fragen. Nicht nach der letzten Nacht.«
»Gerade nach der letzten Nacht«, hielt Ella beharrlich dagegen. Sie versuchte, Gabriel zu fassen zu bekommen, ihn zu halten und sich zugleich an ihm festzuhalten, doch er zog sich zurück.
»Wenn du auch nur glaubst, ich wäre dazu imstande, dann brauchen wir kein weiteres
Wort mehr miteinander zu wechseln«, flüsterte er. »Es gibt niemanden auf der Welt, von dessen Traum ich mich ferner halten werde als von deinem. Verstehst du?«
Gabriels Worte trafen Ella wie ein Schlag. Irgendwo in ihrem Hinterkopf begriff sie den versteckten Liebesbeweis, aber zuvorderst war da nur die Tatsache, dass er ihre Hilfe vehement ablehnte.
»Bitte, lass uns wenigstens darüber nachdenken, den Inkubus mit meinem Traum
hinzuhalten, bis wir eine andere Lösung finden. Damit hätten wir nämlich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, dann wären du und Kimi nicht länger gefährdet. Das ist eine viel bessere Idee als dein waghalsiger Plan, einfach auf der anderen Seite zu bleiben und deine Menschlichkeit aufzugeben. Ich schnappe mir ein paar von deinen Schlaftabletten, und sobald ich zu träumen anfange, holst du dir von mir, was es braucht, um den Inkubus zu besänftigen.«
Immer noch war da ein Nachhall dieses harten, abweisenden Ausdrucks auf Gabriels
Gesicht. Doch die Härte richtete sich nicht gegen sie, sie war gegen ihn selbst gerichtet.
Dieses Mal kam er ihr entgegen und legte seine Stirn gegen die ihre. Für einen Moment gehörten sie wieder zusammen.
»Ich bin dir sehr dankbar für dein Angebot, aber ich werde es nicht annehmen«, erklärte er mit einer Stimme, die jeden Zweifel an seiner Entscheidung von vornherein abwies. »Dein Traum gehört dir, er ist ein wichtiger Teil deines Wesens. Daran werde ich mich auf keinen Fall vergreifen. Vielmehr noch: Ich könnte es nicht ertragen, wenn du ihn verlierst.«
Gegen ihren Willen entzog Ella sich der Berührung, ansonsten wäre sie außerstande
gewesen, zu widersprechen. Sie wollte ihn spüren, die Harmonie zwischen ihnen
wiederherstellen, doch das war im Augenblick unmöglich. Er war bereit, sich selbst zu opfern.
Für sie hingegen gab es gerade nichts Wichtigeres, als ihn zu retten. Also versuchte sie es auf die harte Tour: »Wenn es nur um uns beide gehen würde, könnte ich deine Entscheidung vielleicht akzeptieren. Aber es geht auch um Kimi. Dieser Inkubus ist dicht dran gewesen, ihn zu zerbrechen, und ich bin mir nicht sicher, ob er das Erlebte überhaupt überwinden wird.
Hoffen wir, dass die Traumbilder schon bald verblassen und mit ihnen die Ranken auf
seinem Körper. Sollte dein Plan nicht aufgehen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass der Inkubus bei der nächsten Gelegenheit zu ihm zurückkehrt. Das kann ich nicht zulassen.
Und jetzt sag mir: Was ist gegen eine solche Qual schon der läppische Verlust eines
Traums?«
»Wenn du eine Ahnung hättest, welche Ausmaße der Verlust eines Traums hat, müsstest
du mich nicht fragen. Schau mich an: Außer dem einen habe ich nichts weiter Wertvolles hervorgebracht. Bevor ich dich kennengelernt habe, wusste ich nicht einmal, dass mir etwas fehlt. Weil alles, das ich wahrgenommen habe, reine Oberfläche war. Man wird innerlich hohl, wenn man seine
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