Dämonen-Reihe Bd. 4 Traumsplitter
Schwerkraft hebt sich auf. Alle Widerstände verwehen.
Ich bin da.
Eine Königin im eigenen Reich.
Mit so einem Größenwahn wird man also konfrontiert, wenn man einen Blick in Bernadettes Träume wirft. Dieser Wunsch nach Überhöhung widert mich noch mehr an, als Zeuge zu
werden, welche Genugtuung ihr meine Unterwerfung bereitet. Denn das Gesicht mit dem
störrischen Zug gehörte mir.
Immer noch gefangen von diesem Eindruck, blicke ich zum Fenster hinaus, doch alles, was ich sehe, sind tanzende Lichtreflexe.
Warum diese Aufmachung, da sie mich doch erwartet haben musste?
Ich vergesse die Frage, als Bernadette sich unruhig auf der Chaiselongue windet. Als würde sie meine Anwesenheit spüren. Also rufe ich sie, bevor sie wirklich aufwacht und dadurch für mich unerreichbar wird.
»Gabriel, du bist es«, antwortet sie schlaftrunken.
Keine Verblüffung, kein Anflug von Panik. Jedenfalls nicht bei ihr.
Als sie sich träge aufrichtet, zeichnen sich unter dem transparenten Stoff ihre Brüste ab.
Die dunklen, ovalen Spitzen wecken Erinnerungen. Ein Würgen steigt meine Kehle hoch.
Schlagartig zweifle ich daran, ob ich ihr wirklich gewachsen bin. Ich bin ihr schließlich schon mehr als einmal in die Falle getappt.
In der erhitzten Luft hängt der Duft von Opium . Auch das noch.
»Mensch wirklich, Bernadette. Was für eine Inszenierung«,versuche ich meine
Verunsicherung zu überspielen. »Noch besser wäre sie bloß, wenn ich dich gleich mit
gespreizten Beinen vorgefunden hätte.«
Bernadette beugt sich über ihr schlafendes Ich und haucht ihm einen Kuss auf die Wange.
Dann wirft sie mir unter ihren Wimpern einen Blick zu. »Ich dachte mir, wenn du schon in meinen Traum eindringst, dann will ich wenigstens meinen Spaß dabei haben. Und vielleicht kann ich dich letztendlich ja davon überzeugen, dich lieber mit mir zu vergnügen, anstatt in den sicheren Tod zu gehen. Denn genau darauf wird es hinauslaufen, wenn du vollkommen auf die andere Seite wechseln willst.«
Bernadette streckt die Hand nach mir aus.
Eine Einladung, die ich bestimmt nicht annehmen werde. Ich werde sie nie wieder aus
freien Stücken berühren. Meine Weigerung lässt sie die Nase krausziehen.
Obwohl kein Windhauch durch das Zimmer geht, klirrt der Kristallleuchter. Sein durch den Raum irrendes Licht blendet mich. Ich reibe über meine Augen, und als ich aufblicke, stehe ich plötzlich neben der Chaiselongue, eine kniende Bernadette vor mir … und eine weitere in meinem Rücken, wie ich erschrocken feststelle, als sie von hinten ihre Arme um mich
schlingt und mit ihren Nägeln über meine Brust kratzt. Ihr heißer Atem streift meinen Nacken.
Alarmiert schaue ich zum Kronleuchter mit seinen unzähligen, scharf geschliffenen
Elementen. Das Sonnenlicht tanzt auf den glatten Oberflächen und sticht mir in die Augen.
Schärfer noch als zerbrochenes Spiegelglas. Oder ist es genau das? Ein Leuchter aus
Spiegelsplittern, die in immer weitere Teile zerbrechen? Besser, es kommt gar nicht so weit, dass ich mehr darüber herausfinde.
Obwohl die Kratzspuren unnatürlich stark brennen, konzentriere ich mich auf die
Bernadette, die sich gerade an meinem Gürtel zu schaffen macht, und lasse sie die Hände wie eine Büßerin in ihren Schoß legen.
Es ist schockierend einfach. Das hier ist nicht mein Traum, und doch … ich kann ihn mir nehmen!
Aus den Augenwinkeln bemerke ich, wie sich die Pforte, die zurück ins Labyrinth führt, zu schließen beginnt. Beklemmung steigt in mir auf, doch ich schüttle sie ab. Was kümmert mich das? Ich habe nicht vor, sie erneut zu durchschreiten, um diese Welt zu verlassen.
»Hast du zu guter Letzt also herausgefunden, wie es funktioniert? Aber deshalb musst du mir noch lange nicht den Spaß verderben.« Die vor mir kniende Bernadette schmollt nur einen kurzen Augenblick, dann setzt sie sich auf die Kante der Chaiselongue, lüftet den Saum ihres Spitzenteils und zeigt mir, dass sie mich nicht unbedingt dazu braucht, um sich zu amüsieren. Ich keuche angewidert auf, als ihre Finger zwischen ihre Schenkel fahren.
Die andere Bernadette hinter mir lacht und beißt mich in den Nacken. Der Schmerz fährt mir wie ein Blitz in die Augäpfel. Nein, nicht der Schmerz. Es ist das gleißende Spiel der Kristalle, das den Raum und alles, was in ihm ist, zu zerteilen beginnt. Der Traum wird zu einem zerschnittenen Bild, von dem ich nur noch Ausschnitte wahrnehme. Einiges
verschwindet, anderes rückt ins Zentrum und
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