Dämonen-Reihe Bd. 4 Traumsplitter
lächerlich. Du weißt nichts über die Macht der Träume. Rein gar nichts.
Du bist nicht mehr als ein Dummkopf, der sich für ein wenig Abwechslung selbst verkauft hat.«
Ihre Worte treffen mich. Nicht weil mich ihre Herablassung kränkt. Was Bernadette von mir hält, ist mir vollkommen egal. Es liegt daran, dass sie mir meinen Fehler so schonungslos darlegt. Obwohl ich es längst selbst erkannt habe, quält es mich trotzdem, dass ich für so wenig so viel drangegeben habe. Und nicht nur ich, sondern auch ein fünfzehnjähriger Junge, der mit dieser Angelegenheit rein gar nichts zu tun hatte.
»Ich weiß vielleicht nicht viel«, erwidere ich mit einer Ruhe, die ich mir selbst nicht erklären kann. »Eins habe ich allerdings gerade dank des Inkubus gelernt: Es gibt nichts
Beeindruckenderes, als in den eigenen Abgrund zu blicken. Sollen wir beide das einmal ausprobieren, indem ich deinen Höhenflug ins Gegenteil verkehre?«
Offenbar sagt ihr die Vorstellung nicht zu, denn sie beginnt am ganzen Leib zu zittern. Ihre Schenkel schließt sie dennoch nicht. »Du machst einen Fehler.«
Obwohl ich mich vor Ekel schütteln könnte, greife ich nach dem verschwitzten Saum ihres Spitzenkleides und ziehe ihn hinab.
»Wenn du außerstande bist, einen Traum zu finden, der den Inkubus ruhigstellt, werde ich die Aufgabe für dich übernehmen«, bietet Bernadette an. Hinter ihr liegt ihre schlafende Hülle, die Gesichtszüge verzerrt vor Angst. Der Albtraum hat anscheinend begonnen, bevor ich ihn überhaupt eingeleitet habe. »Ich kann das für dich tun, wirklich. Im Laufe der Zeit habe ich genug starke Träume gesammelt, um den verfluchten Inkubus zu befriedigen. Ich habe vorgesorgt. Wir können die Träumenden nämlich auch beklauen, auf vielfältige Weise.
Das bringe ich dir bei, wenn du willst. Stell dir nur die Möglichkeiten vor, die sich dir auftun!«
Kurz drängt sich mir Hoffnung auf. Wenn Bernadette den Inkubus zufriedenstellt, kann ich zu Ella zurückkehren, und wir können den Aufschub bis zur nächsten Forderung nutzen, um eine Lösung zu finden. Ella schafft das, sie findeteinen Weg aus dieser scheinbar
aussichtslosen Situation. Nein, denke ich. Von Bernadettes Angeboten habe ich genug. Wer sich auf sie einlässt, ist noch schlechter beraten als mit einem Inkubus, der ihm im Nacken sitzt.
»Dein Traum gehört jetzt mir, ich bestimme von jetzt an die Regeln«, erkläre ich. »Und in meinem Traum hältst du den Mund.«
Wie erwartet, versucht Bernadette zu protestieren. Das ist jedoch ausgesprochen
schwierig, wenn das Äußere sich in eine gläserne Hülle verwandelt hat. Dahinter ist sie gefangen, ich kann sie schreien sehen. Es dringt kein Laut zu mir.
»Bernadette, weißt du, was der Inkubus mit dir anstellen wird, wenn ich nicht mehr als Bollwerk zwischen dir und ihm stehe? Nein? Dann zeige ich es dir, damit du weißt, was auf dich zukommt.«
Da ist sie wieder: die pure Panik in ihrem Blick. Sie fürchtet den Inkubus noch mehr als mich. Und vermutlich nicht zu Unrecht.
Ich umfasse ihre erstarrten Schultern, ziehe sie von der Chaiselongue. In dem Moment, in dem sie meinen Schoß erreicht, zerspringt Bernadette in unzählige Splitter, auf denen sich das Sonnenlicht spiegelt und mir in den Augen brennt. Als wäre der Kronleuchter von der Decke gefallen und auf dem Boden zersplittert. In so feine Teile, dass man ihn niemals wieder würde zusammensetzen können.
Auch mich selbst durchfährt in diesem Moment ein Schnitt. Mit einer unsichtbaren Klinge wird die Verbindung zur Welt des Tageslichts durchtrennt, während der Zugang zum
Labyrinth mit einem Handstreich endgültig fortgewischt wird. Bernadettes Traum gehört wahrhaftig mir, und ich gehöre dem Traum. Es gibt keinen Weg zurück. Das kümmert mich jedoch nicht, solange es mir gelingt, in anderen Träumen zu wandeln. Oder vielmehr in einem einzigen, in den ich bislang nur einen flüchtigen Blick geworfen habe. Voller
duftendem Jasmin und einem Weiher, an dem jemand auf mich wartet.
Kurz überkommt mich die Sorge, für immer in diesem Traum eingesperrt zu sein. Dass es keinen Ausweg für mich gibt, nachdem ich diesen Schritt gegangen bin. Ich könnte ihn zwar in ein Universum nach meinem Geschmack umformen, nur würde mich das niemals
befriedigen. Eine erdachte Ella, die in diesem Universum lebte, könnte niemals an die echte heranreichen. Deshalb muss ich einen Weg zu ihrem Garten finden, einen Weg, an den sie nicht geglaubt hat. Es muss ihn aber
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