Dämonen-Reihe Bd. 4 Traumsplitter
geben, und ich werde ihn betreten, gleichgültig, welches Risiko er auch bergen mag.
Ich beuge mich über den Splitterhaufen auf dem Boden in der Hoffnung, dass er sich in eine Pforte verwandelt, ähnlich meinem Spiegel. Doch ich sehe weder die zerbrochene
Bernadette in den winzigen Scherben, noch sehe ich ein Abbild meiner Erscheinung. Ich sehe nur hell blendendes Licht. Selbst als ich wieder aufblicke.
Bernadettes Traum ist verschwunden.
Ellas Garten ist nicht in Sicht.
Ich befinde mich im Nirgendwo.
Kapitel 32
Der Wiederkehrende
Die Vorstellung, dass Kimi gleich fort sein würde, brachte Ella fast um den
Verstand, nachdem der Anruf bei Nora, mit der Bitte vorbeizukommen, ihr schon grauenhaft schwergefallen war. Den Gedanken an seine Eltern hatte sie nach dem gestrigen Abend
sofort verworfen – die würden ihn jetzt noch weniger verstehen als zuvor schon. Sie selbst war jedoch außerstande, sich um den Jungen zu kümmern, während unklar war, ob Gabriels risikoreiche Rechnung aufging und sie alle in Sicherheit vor dem Inkubus waren. Zu gern hätte sie Kimi begleitet und das Haus mit dem unheimlichen Spiegel hinter sich gelassen.
Zudem wollte sie diejenige sein, die bei Kimi saß, während er nach einem Ausdruck für das suchte, was ihm zugestoßen war. So sollte es eigentlich sein. Es war ihre Aufgabe, ihm zur Seite zu stehen, dazu beizutragen, dass er das Erlebte überwand. Und genau aus diesem Grund musste sie in der Villa bleiben.
Als der picobello polierte Uralt-Saab auf den Vorhof fuhr, rutschte Ella trotzdem das Herz in die Hose. Kimi, der auf den Treppenstufen saß, versteckte sein Gesicht noch tiefer in seinen verschränkten Armen. Kaum hatte Gregor den Wagen zum Halten gebracht, da
sprang Nora auch schon zur Tür hinaus und stürzte auf sie zu.
»Ich weiß, du willst mir im Augenblick nicht erzählen, was passiert ist, aber Ella … ich mache mir so große Sorgen! Die Sache gestern Abend auf dem Fest, und heute geht es Kimi schlecht, und du siehst auch aus, als ob du einen Blick in die Hölle geworfen hättest. Was ist nur mit einem Mal los?«
Ella zog tief Luft in ihre Lungen und betete darum, weder in Tränen auszubrechen noch allzu verzweifelt zu klingen. »Nora, es ist, wie ich es bereits am Telefon gesagt habe: Ich brauche jemanden, der sich um Kimi kümmert, während ich ein paar Dinge erledige. Wenn das für dich nicht ohne eine weitere Erklärung okay ist, dann verstehe ich das. Dann muss ich mich eben nach einer anderen Lösung umsehen.«
»Nein, das musst du nicht«, beeilte sich Nora klarzustellen. »Gregor und ich, wir machen das. Und wenn du irgendwas anderes von mir brauchst, dann bekommst du auch das.«
Nun musste Ella doch blinzeln. Es half nichts, ihr liefen einige Tränen übers Gesicht, egal, wie schnell sie sie wegwischte. »Nein, das wäre alles. Außer vielleicht …« Sie lehnte sich vor und flüsterte in Noras Ohr: »Wie weit würdest du gehen, damit Gregor bei dir bleibt?«
»Du weißt, wie weit ich gegangen bin. Und das war für mein Gefühl bloß eine kurze
Strecke. Ist es denn eine sehr weite Strecke, die du für Gabriel gehen musst? Denn darum geht es hierbei doch.«
»Darum, aber noch um etwas anderes.« Ella erwiderte noch einmal die Umarmung, dann
löste sie sich. »Sei umsichtig mit Kimi, es geht ihm wirklich sehr schlecht.«
Nora nickte, ohne eine weitere Frage zu stellen. Stattdessen wandte sie sich Kimi zu.
»Kommst du, Herzchen?«
»Nein!« Kimi hob nicht einmal den Kopf.
Es lag so viel Verzweiflung und Trotz in diesem Nein, dass Ella fast aufgegeben hätte.
»Bitte, mach es mir nicht schwerer, als es ohnehin schon ist. Geh mit Nora, sie kann sich jetzt besser um dich kümmern als ich.«
Nun sah Kimi doch auf. »Du schiebst mich ab. Weil ich so daneben bin.«
»Um Himmels willen, das stimmt doch nicht!«
Ella ließ sich vor ihm auf die Knie fallen und redete mit Engelszungen auf ihn ein.
Unterdessen war Gregor ebenfalls ausgestiegen, vollkommen stumm. Dafür sah er aus, als würde er nur zu gern jemanden für Ellas und Kimis von Erschöpfung gezeichnete Gesichter bestrafen. Es kostete Ella und Nora eine gute Stunde, um den völlig aufgelösten Jungen davon zu überzeugen, dass er keineswegs abgeschoben werden sollte, sondern alle
ausschließlich das Beste für ihn wollten. Diese Stunde nutzte Gregor, um die Räume nach dem Sündenbock zu durchsuchen, vermutlich in der Hoffnung, Gabriel zu finden und eine Erklärung aus ihm
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