Dämonen-Reihe Bd. 4 Traumsplitter
viel zu eng, wie Ella sich widerwillig eingestand. Genau wie seine Küsse zu fordernd und die Berührung seiner Hände weniger zärtlich denn gierig ausfielen.
Es liegt an der Situation, beruhigte Ella sich. Er will gewiss nicht grob sein, die Anspannung schlägt nur gerade in Erregung um und verdrängt jede andere Empfindung. Und warum ist das bei mir nicht so? Warum will ich ihn halten, liebkosen und hören, dass nun alles gut ist, anstatt mich auf seine Lust einzulassen?
Obwohl Ella befürchtete, Gabriel könnte sich zurückgestoßen fühlen, beendete sie den Kuss. »Bitte«, sagte sie, »sprich mit mir.«
Der Blick, mit dem er sie maß, war vollkommen fremd.
Sicher, es waren seine grauen Augen, die ihr mittlerweile vertraut wie ihre eigenen waren.
Aber diesen Ausdruck hatte sie zuvor noch nie in ihnen gesehen. Neugierig, geradezu
gefühlskalt und … distanziert, obgleich seine Hand weiterhin auf ihrer Brust lag. Als wäre sie nicht die Frau, die er liebte, sondern lediglich ein Spielzeug, das nicht ganz die Erwartungen erfüllte. Selbst die zu einem Lächeln geschürzte Oberlippe glich den Eindruck nicht aus, vor einem Fremden zu stehen, jemandem, der sich hinter Gabriels Maske versteckte.
Bevor Ella zurückweichen konnte, schlang er seine Arme fest um sie. Bislang hatte sie für Gabriels muskulöse Arme geschwärmt, jetzt bekam sie die Kraft zu spüren, die in ihnen steckte. Mit zunehmender Beklemmung versuchte Ella, sich zu befreien. Ein sinnloses
Unterfangen. Die Arme lagen wie Schraubstöcke um ihren Oberkörper, und sie spürte durch ihr Oberteil hindurch die Kälte, die von ihnen ausging. Das ist nicht Gabriel, erkannte sie. Er würde mir niemals seinen Willen aufzwingen.
»Lass mich los«, sagte Ella.
Wer auch immer vor ihr stand, er senkte den Kopf und begann, zärtlich an ihrem
Ohrläppchen zu knabbern. Jede Berührung führte zu einem Brennen wie von unzähligen
Nadelstichen. Eine Zungenspitze fuhr ihre Ohrmuschel entlang und hinterließ einen
Frosthauch.
»Ich weiß nicht, wer du bist, aber ich will, dass du mich sofort loslässt.«
Sie spürte Lippen an ihrer Schläfe, erst weich und anschmiegsam, dann hart wie Glas.
»Du weißt genau, wer ich bin, Gartenmädchen«, sagte eine fremde Stimme, deren tiefes Timbre eine Seite in Ella zum Klingen brachte, die sie nie zuvor wahrgenommen hatte. Ihre Angst war augenblicklich wie weggewischt, verdrängt von einem Verlangen … einem
Verlangen danach, sich in den eigenen Wünschen zu verlieren. Sich hinzugeben trotz des Wissens, den Höhepunkt nicht zu überstehen. Das Überschreiten der Schwelle, an der alles möglich ist, selbst um den Preis des Wahnsinns.
Ja, sie wusste, wer er war. Oder vielmehr: Was er war. Der Schuldeneintreiber, den Gabriel hatte abhängen wollen. Der Inkubus, auf der Suche nach einem neuen Traum.
Dann ebbte das Verlangen endlich ab, und Ella wünschte sich inständig, ihr Gegenüber niemals zum Reden verleitet zu haben. Seine Stimme hatte einen Riss in sie gegraben, den nur er würde ausfüllen können. Während sie getrieben ein- und ausatmete, fragte sie sich, ob es das war, was Kimi erlebt hatte. Aber ihr Gespür verriet ihr, dass ihr Erlebnis mit dem Inkubus ein anderes war. Wie auch nicht? Denn er hatte seine Welt verlassen, um bei ihr zu sein. War mit ihrer Hilfe in die Realität eingetreten, was im Grunde unmöglich sein sollte. Es sei denn … sie schliefe noch und all das passierte ausschließlich in ihrem Traum.
»Wenn das hier mein Traum ist, dann kann ich auch bestimmen, was in ihm geschieht«,
sagte sie laut, als könne sie es selbst erst glauben, wenn die Feststellung in ihren Ohren widerhallte.
»Versuch es«, knurrte der Inkubus mit seiner überirdischen Stimme und setzte Ella in Flammen.
Wahrhaftig, sie stand in Flammen, während er sie in seinen Armen hielt. Sie brannte
lichterloh. Die Hitze liebkoste sie, leckte über ihre Haut, fuhr durch ihr Haar. Es war erregend und verzehrend zugleich. Sie wollte sich ganz und gar dem Vergnügen hingeben, schmelzen unter der Wärme, schmelzen unter seinen Händen …
Ella stockte.
Das kam ihr doch bekannt vor, so war es ihr schon einmal ergangen, und es war noch gar nicht so lange her. Sie war mit Gabriel zusammen gewesen … in einem Traum … jede
einzelne seiner Berührungen hatte sich wie ein Sonnenstrahl angefühlt, warm und prickelnd
… und sie hatte sich in flüssiges Gold verwandelt.
»Das ist ein Traum von Gabriel und mir, dessen du dich
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