Dämonen-Reihe Bd. 4 Traumsplitter
der
Überzeugung, dass es ihr nur gemeinsam mit Nora gelingen würde, diesen Ort
wiederzuentdecken. Und wenn sie sich die junge Frau so anschaute, die nach außen hin das hippe Mädchen gab, obwohl ihre Unsicherheit nicht zu übersehen war, dann war Ella sich sicher, dass es auch für Nora von Bedeutung war.
»Du bist also oft umgezogen in der letzten Zeit?«, tastete Ella sich vorsichtig zu dem Thema vor, das Nora offenbar sehr am Herzen lag.
Nora überzog das Sahnehäubchen mit einem Muster, indem sie die Gabelzinken der Reihe nach hineindrückte. Ja, das kannte Ella noch von früher. Sowohl das Rumgespiele mit dem Essen als auch die Warteschleife, bevor sie mit der Sprache herausrückte. »Umgezogen ja, aber alles innerhalb von Sandfern. Ist nicht gerade eine aufregende Geschichte. Glaub mir, ich würde lieber von ganz anderen Orten erzählen können, so wie du es kannst. Mein Leben hat sich komplett in dieser öden Stadt abgespielt, die für die meisten Menschen nur eine Durchreisestation ist.«
»Nun red Sandfern nicht klein, das ist in meiner Gegenwart strengstens verboten! Wer, wenn nicht wir, weiß ganz genau, dass die alte Hafenstadt etwas Besonderes ist. Es
offenbart sich eben nur nicht auf den ersten Blick«, sprach Ella ihr zu, doch Nora zuckte nur mit den Achseln.
»Wenn du meinst. Glück gebracht hat mir die Stadt jedenfalls nicht.«
Geduldig wartete Ella ab, aber als der letzte Krümel von ihrem Teller verschwunden war, gestand sie sich ein, dass sie so nicht weiterkamen. Nora saß schweigend da und
malträtierte die Sahne, bis sie neben dem unangetasteten Kuchenstück zerfloss. Also
beschloss Ella, sie auf einem anderen Weg aus der Reserve zu locken.
»Bei mir in VinesGrey war auch nicht alles Sonnenschein, das kann ich dir sagen. Es
stimmt schon, Australien ist ein ziemlich abgefahrenes Land, und wenn man auf Reisen ist, rauben einem die Brüche zwischen endlosen Weiten und Großstädten regelrecht den Atem.
Allerdings liegt unser Weinberg einige Autostunden von Sydney entfernt. In die Großstadt sind wir zwar gelegentlich gefahren, aber nur zu besonderen Anlässen, um zum Beispiel eine Zahnspange für mich zu besorgen. Aber ansonsten spielte sich mein Leben in unserem
Viertausend-Seelen-Örtchen ab, ein echtes Kaff, daneben sieht Sandfern aus wie eine
glitzernde Großstadt.«
Die Entzauberung ihres Lebens in Australien kam bei Nora sichtlich an. Sie war bis auf die Kante ihres Stuhls vorgerutscht und begann in einem beachtlichen Tempo, ihren
Kirschkuchen nun doch in sich hineinzuschaufeln. Gut, das war also die Richtung, die Ella einschlagen musste, wenn sie Nora für sich gewinnen wollte.
»Nach der Highschool wollten meine Eltern mich aufs College schicken, aber danach
stand mir überhaupt nicht der Sinn. Ich hatte keine Lust mehr, dazusitzen und nur zuzuhören.
Das habe ich wohl von meiner Mutter. Allerdings wollte ich einen Job, der möglichst wenig mit Weinreben zu tun hat, und gleichzeitig wollte ich mein eigenes Ding machen. Nur leider hatte ich keinen blassen Schimmer, wie ich das anstellen sollte, und bin erst einmal nur rumgehangen. Schon damals wäre ich am liebsten direkt nach Sandfern zurückgekehrt,
doch meine Eltern
sind allein bei der Andeutung kreidebleich vor Schreck geworden.
Jedenfalls hatte ich vorher schon ein wenig für die Schulzeitung fotografiert und darüber auch einen Kontakt zum örtlichen Tagesblatt, der Hunter Valley Press . Zuerst waren die Jobs bloß Zeitvertreib, der mir sogar ein wenig Kohle eingebracht hat, während ich auf die zündende Idee für meine Zukunft wartete. Meistens gingen meine Aufträge um irgendwelche Haustiere oder eine Supermarkteröffnung. Es hat eine ganze Weile gebraucht, bis mir aufgefallen ist, dass ich genau das tue, wonach ich eigentlich gesucht habe, auch wenn es noch gedauert hat, bis ich an die guten Jobs kam.«
»Sagtest du nicht eben, dein Leben sei alles andere als eitel Sonnenschein gewesen?
Auch wenn das mit dem Fotojob Zufall war, ist es doch trotzdem super.« Zu Ellas
Überraschung sagte Nora das nicht angriffslustig, sondern lediglich frustriert.
»Ja, der Job ist lässig, aber …«
»Noch drei Semester, und dann bin ich Apothekerin, genau wie meine Eltern sich das
gewünscht haben«, unterbrach Nora sie. »Keine schlimme Sache, aber ungefähr genauso
aufregend wie das Nachtleben in Sandfern. Ein Job als Fotografin ist bestimmt prickelnder, als hinter der altehrwürdigen Theke im Familiengeschäft
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