Dämonen-Reihe Bd. 4 Traumsplitter
schob sich den Mundschutz ins Haar und erhob sich langsam. Wahrscheinlich war er zu dieser Tageszeit bereits zugedröhnt. Es war zum Schreien mit dem Kind.
»Wonach sieht es denn aus, Liv?«, erwiderte er trotzig.
Nun hatte sich auch Ella von dem Mundschutz befreit und spielte, deutlich verlegen, damit herum. Obwohl ihre Schwägerin die zwanzig bereits überschritten hatte, sah sie immer noch wie ein unterentwickeltes Mädchen aus. Daran würde sich wohl so schnell auch nichts
ändern.
»Hallo, Liv. Kimi hilft mir, wie schon die ganzen letzten Tage. Ich wüsste gar nicht, was ich ohne ihn tun sollte. An dieser Abschleifmaschine fürs Parkett scheitern wir aber beide, so wie es aussieht.«
»Konstantin hilft dir?« Liv konnte es kaum glauben. »Na, das ist ja mal wenigstens eine gute Nachricht. Und ich dachte, er würde die Ferien mit seinen idiotischen Freunden
verbummeln und sich an allen erdenklichen Körperstellen piercen lassen.« Sie sagte es betont gleichgültig, wohl wissend, dass sie ihren Sohn damit besonders traf. Auf andere Weise rief sie schon lange keine Reaktion mehr bei ihm hervor.
Während sein Kehlkopf auf und ab sprang, als würde er nur mit Mühe unzählige
Schimpfwörter unterdrücken, hob Ella beschwichtigend die Hände.
»Nein, Kimi ist die ganze Zeit bei mir. Er ist doch sogar vor ein paar Tagen bei mir eingezogen. Vorübergehend …« Ella stockte, als ihr bewusst wurde, dass sie für Liv damit eine Neuigkeit aussprach.
»Du wohnst hier?«, fragte sie ihren Sohn verblüfft.
»Das hast du wohl noch gar nicht mitbekommen.«
In der Art, wie Konstantin das sagte, schwang so viel Verachtung mit, dass sie instinktiv einen Schritt zurücktrat. Doch er packte sie weder bei den Armen, um sie aus lauter
Enttäuschung durchzuschütteln, noch setzte er zu einer seiner wüsten Beschimpfungssalven an, mit denen er sie schon einige
Male niedergemäht hatte, weil sie Kraftausdrücke
verabscheute. Stattdessen ging er schnurstracks an ihr vorbei und warf die Tür mit einer Wucht hinter sich zu, dass es nur so schepperte.
»Ist es dir wirklich nicht aufgefallen, dass Kimi seit Längerem nicht mehr zu Hause war, oder wolltest du ihn absichtlich vor den Kopf stoßen?« Ella stand die Empörung deutlich ins Gesicht geschrieben.
Obwohl Liv sich ihrer Sache durchaus sicher war, stieg Panik in ihr auf, die sie nur mühsam vor ihrer Schwägerin verbergen konnte. Das hier hatte ihr Auftritt werden sollen! Nun sah es ganz danach aus, als würde sie am Pranger enden. Sie musste sich schleunigst etwas
einfallen lassen.
Die Tür ging auf, und ein großer blonder Mann kam herein, der mit Farbe bespritzt war und Ella mit gerunzelter Stirn betrachtete. »Ich bin Kimi eben in der Vorhalle begegnet, der sah aus wie kurz vor der Explosion. Kriegt ihr die Maschine etwa immer noch nicht zum Laufen?«
Dann erst bemerkte er Liv, die ihn ungeniert anstarrte. »Oh, hallo. Ich bin Gabriel, Ellas Untermieter.«
»Da schau mal einer an«, war alles, was Liv zur Begrüßung hervorbrachte. Dann wandte sie sich ihrer Schwägerin zu. »Dieser Mensch wohnt also ebenfalls mit im Haus?«
»Ja«, sagte Ella, die sich offenbar keinen Reim auf Livs Reaktion machen konnte. »Spricht denn etwas dagegen?«
Liv atmete auf. Hier bot sich ihr endlich die Chance, das Blatt zu wenden. »Sag mal, wie verantwortungslos bist du eigentlich? Nicht nur, dass du Konstantin in diese Todesfalle von einem Haus lockst und ihn für dich schuften lässt, da lässt du meinen sexuell verwirrten Sohn mit diesem Nacktmodell auch noch unter einem Dach wohnen?«
»Nacktmodell?«, kam es ungläubig von Gabriel, doch Liv beachtete ihn nicht weiter.
»Das war nicht mehr als ein harmloses Foto«, rechtfertigte sich Ella sofort.
Genau darauf hatte Liv gebaut. »Ich weiß ja nicht, was du unter harmlos verstehst, aber mich haben heute beim Frühstück bereits zwei Freundinnen angerufen, damit ich bloß nicht –
Zitat – ›das heiße Stück Fleisch auf Seite drei‹ im hiesigen Käseblatt verpasse, das ich sonst nicht einmal mit spitzen Fingern anfasse. Wenigstens weiß ich jetzt, was sich hinter deinen großartigen Plänen als freie Fotografin verbirgt, von denen Sören unablässig schwärmt. Von unserer Werbeagentur brauchst du nach dieser Nummer jedenfalls keine Aufträge zu
erwarten. Wir haben im Gegensatz zu dir nämlich einen Ruf zu verlieren.«
Ellas Augen waren weit aufgerissen und bewiesen, wie Liv befriedigt feststellte, dass sie mit einem
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