Dämonen-Reihe Bd. 4 Traumsplitter
sie geboten hatte.
Langsam zog Gabriel seine Hand zurück, und das Quecksilber floss genauso schnell
zusammen, wie es sich ausgebreitet hatte. Zurück blieb graues Holz, während im Garten die ersten Vögel zu singen begannen.
Kapitel 12
Nackte Tatsachen
Liv parkte ihren Mercedes SLK auf dem Vorhof der Villa neben einem
geschmacklosen Gefährt mit lila Seitenstreifen, das sie erst einmal einige Minuten betrachten musste.
Unfassbar.
Dieser Schrotthaufen gehörte ganz bestimmt Ella, vermutlich versuchte sie, damit ihre eher blasse Erscheinung aufzubessern. Der Lebensstil ihrer Schwägerin wurde zusehends
kurioser. Begonnen hatte alles mit dieser lächerlichen Idee, herumzuknipsen. Also wirklich!
Als Werbefachfrau kannte Liv sich mit Fotografen aus. Mit echten Fotografen, Menschen, die ein entsprechendes Studium und ein eigenes Studio mit den neusten technischen
Errungenschaften aufzuweisen hatten. Und nicht eine abgewrackte Villa, in der
sich
Nagetiere herumtrieben und man sich schlimme Krankheiten durch Schimmelpilz zuziehen konnte.
Liv starrte den schwarzen Lack mit den schrillen Farbstreifen an, während sie ihr Mantra
»geschmacklos, geschmacklos, geschmacklos« wiederholte. Normalerweise half ihr diese –
nun ja – Technik, um sich zu beruhigen, indem sie ihr Gegenüber herabsetzte. Nur heute wollte ihr das einfach nicht gelingen. Dabei war sie mit dem festen Vorsatz hergekommen, ihrer Schwägerin, diesem halb garen Etwas mit seinen albernen Ideen, zu verdeutlichen, was sie von ihr hielt. Und vor allem, dass sie nicht länger gewillt war, Ellas Einfluss auf ihre Familiengeschicke hinzunehmen. Noch schlimmer: auf ihren Kontostand.
Gestern Abend waren Sören und sie zum Essen bei den Richards eingeladen gewesen, bei denen es zu jedem Gang einen anderen Wein gab. Und es hatte viele Gänge gegeben. Nach dem – beschwipsten – Dessert war die Stimmung entsprechend großartig gewesen. Die
schwüle Sommernacht war Liv verheißungsvoll erschienen, vor allem, als Sören sie hinaus auf die Terrasse des Hauses geführt und den Arm um ihre nackten Schultern gelegt hatte.
Ging es noch besser? Die Richards waren genau die Art Freunde, die man sich als
erfolgreiches Powercouple wünschte.
In diesem Moment empfand Liv sich als eine begehrenswerte Frau mit einem nicht minder begehrenswerten Mann an ihrer Seite, der sich einzig und allein für sie interessierte, obwohl die Konkurrenz bei dieser Runde entsprechend groß war. Während sie auf den erleuchteten Hafen blickte, hatte siesich trotz ihrer siebenunddreißig Jahre jung und gleichzeitig auf dem Höhepunkt ihres Lebens empfunden. Ihr Leben war perfekt – zumindest fühlte es sich nach diesem Abendessen so an. Ein Augenblick, den Liv am liebsten festgehalten hätte, denn ein solcher Zustand war ihr selten gegönnt, dafür war sie zu kritisch veranlagt.
Allein, wie Sören ihre Schulter streichelte, verriet, dass er ihre Stimmung wahrnahm. Oder vielmehr ihre aufregende Ausstrahlung, denn seine Finger begannen Kreise auf ihrer Haut zu ziehen. Ja, er wollte etwas Bestimmtes von ihr, daran herrschte kein Zweifel, wie Liv mit einem zufriedenen Lächeln erkannte. Eine Sekunde später stellte sich heraus, dass sie mit ihrer Vermutung richtig gelegen hatte. Allerdings auf eine andere Art als angenommen.
»Ich bin wirklich froh, dass wir endlich mal einen ruhigenMoment füreinander haben«, begann Sören vielversprechend. »In den letzten Tagen war so furchtbar viel los, vor allem, seit Ella da ist.«
Beim Namen ihrer Schwägerin brachte Liv lediglich ein abfälliges Schnauben hervor.
Schließlich hatte sie ihrem Mann schon ausgiebig erklärt, was sie davon hielt, dass seine Halbschwester ihre Kreise störte. Sie führten beide ein anstrengendes Leben, nicht nur wegen der Werbeagentur. Da konnten sie Ella und ihre Forderung nach Aufmerksamkeit nun wirklich nicht gebrauchen.
»Ich weiß, es gefällt dir nicht, dass ich Ella beim Aufmöbeln der alten Villa gelegentlich unter die Arme greife, weil unsere Zeit knapp bemessen ist. Ich habe darüber nachgedacht und finde, du hast recht: Es ist falsch, mich in diese Hausrenovierung reinzuhängen. Anstatt Wände zu spachteln, möchte ich lieber mit dir zusammen sein.«
Sören gebrauchte die reinsten Zauberworte.
Mit einer eleganten Bewegung drehte Liv sich in seinem Arm um, bis sie vor ihm stand und seine dunklen Augen fand. So lasziv wie möglich lächelte sie ihn an. »Du und ich – wir beide müssen in
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