Dämonen-Reihe Bd. 4 Traumsplitter
Ideen, und manchmal an dem Irrsinn, der in den Menschen lebt und den sie im wachen Zustand kontrollieren. Ich bin wie …« Der einzige Vergleich, der Gabriel auf die Schnelle einfiel, war alles andere als schmeichelhaft. Aber daran führte jetzt kein Weg vorbei. »Ich bin wie ein Parasit, der nur geringen Schaden anrichtet. Wenn es mir gelungen wäre, dir in deinen Traumgarten zu folgen, dann hätte ich mir etwas von dem Zauber
genommen, den er dir schenkt. Nicht gerade ein wüstes Vergehen und ganz ohne
empfindliche Folgen.« Zumindest für dich, fügte Gabriel in Gedanken hinzu. »Wenn du am nächsten Tag etwa einen Fototermin hättest, dann wäre dir höchstens nicht eingefallen, wie du dein Model perfekt in Szene setzen sollst. Oder anstatt eine außergewöhnliche
Wandfarbe für dein Schlafzimmer auszuwählen, hättest du dich vor lauter Einfallslosigkeit vielleicht für Weiß entschieden. Also, was meinst du: Ist das, was ich tue, ein Verbrechen oder nicht?«
»Ist das auch wirklich alles?« Ella schob herausfordernd dasKinn vor, als ahne sie bereits, dass er nicht die ganze Wahrheit verraten hatte. »Du zapfst meinen Lieblingstraum an und erfreust dich an seinem … wie hast du das genannt? … Zauber. Und das war es dann. Klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Hör mal, Gabriel, wenn du mich mit dieser Geschichte bloß abspeisen willst, dann kannst du dich auf was gefasst machen.«
Rasch hob Gabriel die Hände. »Habe ich gar nicht vor. Und wenn du heute Nacht nicht
kurzerhand auf die Idee verfallen wärst, mich zu küssen, anstatt brav Wald- und Blumenduft einzuatmen, wäre alles vollkommen harmlos ausgegangen. Ich schwöre dir: Was ich tue, richtet bei den Träumenden nur einen geringen, meist nicht einmal bemerkbaren Schaden an. Ich bin ein ganz harmloser Traumfänger.«
Zuerst machte Ella den Eindruck, als würde allein bei der Vorstellung der Garten vor ihrem geistigen Auge zum Leben erwachen. Dann schüttelte sie seine Worte ab und rümpfte die Nase. »Traumfänger – von wegen. Mit Traumfängern kenne ich mich aus, zufällig habe ich einige Jahre in Australien gelebt«, sagte sie mit einer Bestimmtheit, die Gabriel schmunzeln ließ. »Ich werde das Gefühl nicht los, dass du mir nur die halbe Wahrheit erzählst. Die Sache mit dem Zaungast … welchen Sinn hat das Ganze denn, wenn du nur mit ein wenig
Zuschauen belohnt wirst? Dieser Zauber, den du erfährst, muss doch für was gut sein.
Kannst du anschließend vielleicht irgendwas Besonderes? Ja, klar! Seit du in Sandfern bist, hat dieser Bombensommer Einzug gehalten. Dafür bist du verantwortlich, richtig?«
Gabriel musste abermals schmunzeln. So leicht ließ er sich nicht aus der Reserve locken.
»Wenn ich einen solchen Hokuspokus draufhätte, würden jetzt angenehme vierundzwanzig Grad herrschen, und es würde ein leichter Wind gehen. Ich hasse es nämlich, von morgens bis abends zu schwitzen.« Zu gern hätte er diese Flachserei weitergesponnen. Ihm war jedoch bewusst, dass er Ella jetzt eine brauchbare Erklärung anbieten sollte, sonst müsste er es bei einer anderen, vielleicht weitaus ungünstigeren Gelegenheit tun. Falls sie ihm dann noch eine Gelegenheit gab … »Du kannst es lächerlich oder meinetwegen sogar armselig finden, aber es springt nichts anderes bei der ganzen Sache für mich heraus, als dass ich eine leere Stelle in mir fülle. Zumindest für eine kurze Dauer.« Ella schnappte nach Luft, um nachzuhaken, doch Gabriel bedeutete ihr mit einer Handbewegung, ihn ausreden zu lassen.
»So ist es eben. Punkt. Und eigentlich kannst du mir auch keine Vorwürfe machen,
schließlich habe ich keinen Schaden bei dir angerichtet. Ich wollte mich nur an deinem Licht wärmen, mehr nicht.«
»Dass du dich wärmen wolltest, ist ja okay. Nur … wow, das ist jetzt gerade ein bisschen viel. Irgendwie bin ich mir nicht einmal mehr sicher, wach zu sein. Das ist … unglaublich, und dann auch wieder nicht.« Ella rieb sich die Augen.
Das Brennen, das sie dadurch zu vertreiben suchte, lag gewiss nicht nur am Schlafmangel, sondern auch an der sich allmählich bemerkbar machenden Überforderung. Gabriel
wunderte sich ohnehin, wie tapfer sie sich schlug, jede andere hätte ihn aus Selbstschutz längst für verrückt erklärt. Offenbar ging ihr Verständnis für die Macht der Träume tiefer als bei anderen Menschen, vermutlich, weil sie viele Jahre lang hatte ohne sie leben müssen.
Endlich gab Ella das Reiben auf und blickte leicht
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