Dämonen-Reihe Bd. 4 Traumsplitter
antiker Schreibtisch, auf dem sich die Unterlagen aus ihrem Studium neben
perlenbehangenen Kerzenleuchtern und ausgestopften Fröschen, die sich ein Degenduell lieferten,tummelten.
»Das ist ein tolles Zimmer. Am liebsten möchte man sich in den Sessel kuscheln und in Ruhe den Blick auf Entdeckungstour schicken«, sagte Ella begeistert.
Nora spielte eine Weile an der altersschwachen Balkontür herum und öffnete sie umsichtig, als wolle sie Zeit schinden. »Das sehen nicht alle so«, gestand sie. »Die meisten meiner Freundinnen würden sagen, dass es überladen ist und darüber hinaus ein Hort für unzählige DNS-Funde, weil die meisten Dinge schon durch so viele Hände gegangen sind. Die ticken einfach anders. Weißt du, ich kann mein Äußeres ihren ungeschriebenen Regeln anpassen, meine Art zu reden oder meinetwegen auch die Wahl meines Cocktails, wenn wir abends
gemeinsam ausgehen. Aber mein Zimmer … das geht nicht. Das ist mein Zufluchtsort. Hier kann ich mich nicht verstellen.«
»Na, und nun brauchst du es auch nicht mehr. Jetzt hast du ja Gregor und mich – und bei uns darfst du ein waschechter Messi sein, ohne schräg angeschaut zu werden.«
Das war ein kühner Vorstoß, und Nora bedachte ihn auch nur mit einem vielsagenden
Lächeln. Dann schob sie die Freundin auf den kleinen Balkon und kam kurz danach mit zwei Gläsern Rhabarberschorle und einem unter den Arm geklemmten Erste-Hilfe-Set wieder.
Während Nora damit beschäftigt war, die Schnittwunden zu säubern und anschließend mit Pflastern zuzukleben, herrschte Schweigen. Eigentlich hätte Ella die Zeit dafür nutzen sollen, sich zu sammeln und eine vernünftige Erklärung für ihren Auftritt einfallen zu lassen. Aber vor lauter Erschöpfung verpasste sie die Chance. Allein bei Nora zu sein, nahm schon etwas von dem inneren Druck weg, der sich inzwischen zu rasenden Kopfschmerzen verdichtet hatte.
»Wie kann man sich nur so die Füße ruinieren?« Seufzend legte Nora das Verbandszeug
beiseite und kümmerte sich stattdessen um die Kerzen in den Windlichtern, denn mittlerweile war es dunkel. »Ich will ja nicht auf eine Erklärung drängen, aber selbst für deine Maßstäbe ist dieser Besuch reichlich merkwürdig. Willst du dich mir nicht anvertrauen?«
»Ich bin verliebt«, platzte es aus Ella heraus. »Und es ist alles ganz schrecklich!«
Nora brauchte nicht eine Sekunde, um die Lage zu begreifen. »Es geht um diesen blonden Engel, den du bei dir hast einziehen lassen, richtig? Finn oder Gabriel … oder wie immer der auch heißt.«
A-ha. Demnach war Nora also eine gewisse Zeitungsausgabe auch nicht entgangen.
Wenigstens hatte sie sich während der Renovierungsarbeit nichts anmerken lassen.
»War mir gleich klar, dass es zwischen euch gefunkt hat, obwohl ihr die ganze Zeit über damit beschäftigt wart, einander aus dem Weg zu gehen. Aber warum siehst du so
mitgenommen aus, bist du bereits schwanger?«
»Was? Nein! Natürlich nicht, wie kommst du darauf? Als ob ich mit einem Mann sofort ins Bett gehen würde.«
Nora winkte gelassen ab. »Du vielleicht nicht, aber dein Angebeteter sah nicht so aus, als ob er der Typ Mann wäre, der viel Zeit in der Warteschleife verbringt. Den bekommst du nur ganz oder gar nicht.«
Da sprach Nora, die große Männerkennerin.
»Ich war mir bis heute gar nicht bewusst, dass ich Gabriel überhaupt will.« Als Nora skeptisch die Augenbrauen hochzog, lenkte Ella ein. »Gut, gewollt habe ich ihn auf diese eine gewisse Weise schon, wie wahrscheinlich die meisten Frauen, denen er unter die Augen tritt. Aber das hat nichts mit meinen jetzigen Empfindungen zu tun. Die haben mich fast von den Füßen gerissen, und ich habe keinen blassen Schimmer, wie ich damit umgehen soll.«
»Wäre es nicht das Beste, wenn du mir die Geschichte von Anfang an erzählst?«
Ella wollte schon losplappern, als sie im letzten Moment stockte.
Die ganze Geschichte – inklusive Gabriels Besuch in ihrem Traum und dem
anschließenden Geständnis über den Inkubus – wollte – oder vielmehr durfte – sie davon erzählen? Nora mochte wie sie eine Sehnsucht nach dem geheimnisvollen Garten ihrer
Kindheit verspüren, aber sie wussten beide, dass er nur in ihren Köpfen existierte. Wenn Ella von ihrem Erlebnis mit Gabriel berichtete, würde sie wohl kaum versonnen dreinblicken. Da standen die Wetten schon besser, dass ihre Freundin sie kurzerhand vor die Tür setzen und flugs ihre Nummer aus dem Handy löschen würde. Nun ja, aber
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