DÄMONENHASS
verstehst du, wenn es nach mir ginge, wollte ich nichts mit Nathans verdammten Träumen und Schrullen zu tun haben! Aber ich kann nichts dagegen machen. Seine Träume schleichen sich irgendwie in die meinen, sodass er im Schlafen eine genauso schlimme Plage ist wie im Wachen!«
Jason schüttelte verwundert den Kopf. »Aber wie kannst du dir da sicher sein? Woher weißt du, dass ihr die gleichen Träume teilt? Hat er es dir gesagt? Das wäre ja schon ein Ereignis, denn er spricht ohnehin kaum ein Wort!«
»Das muss er gar nicht.« Nestor war des Themas überdrüssig. »Ich brauche nur mitten in der Nacht in unserem Zimmer wach zu werden, zu ihm zu sehen, wie er da liegt und schläft, und schon weiß ich Bescheid. Ab und zu, nicht oft, kann ich seine Gedanken so klar lesen wie die Fährte eines Wildschweins. Sie lesen und sie hassen!«
»Hassen?« Wieder wunderte Jason sich, diesmal über die hitzigen Worte seines Gegenübers und die Erregung, die in ihnen mitschwang. »Du hasst die Gedanken deines Bruders? Aber warum? Sind sie denn so voller Heimtücke?«
Doch Nestor verzog bloß den Mund, schüttelte den Kopf und seufzte schließlich. »Was denn, Nathan und heimtückisch? Nein, ich verabscheue, was er denkt, weil er so sanft und vertrauensselig ist wie ein Lamm!«
Jason fiel es sehr schwer, das alles zu verstehen. Am wenigsten verstand er Nestors so eigenartig gemischte Gefühle. »Du teilst die Träume deines Bruders und liest seine Gedanken.« Erstaunt schüttelte er den Kopf. »Nun, so wie ich das sehe, kann das nur eines bedeuten, Nestor: dass du, ihr beide, echte Szgany seid! In unserem Blut liegen Geheimnisse verborgen, die selbst wir nicht verstehen. Nun, du könntest sogar etwas von den Wamphyri in dir haben ...!« Rasch hob er die Hand zur Beschwichtigung (allerdings hätte Nestor sich an dieser Bemerkung wahrlich als Letzter gestört).
»... wie es ja bei den meisten von uns der Fall ist. Früher wüteten die Wamphyri wie eine Seuche unter uns, und noch heute treten Rückzüchtungen auf. Mein Vater glaubt, dass darin die Ursache für alle mystischen Kräfte der Szgany liegt, zum Beispiel für die Fähigkeit der Schicksalsdeuter, in Träumen und aus Handflächen zu lesen, und der Hellseher, die Geschehnisse an fernen Orten zu schauen.«
Nestor verzog das Gesicht. »Das glaubst du wirklich?« Offenbar war Jason noch unbedarfter, als er bislang vermutet hatte. »Kannst du mir in ganz Siedeldorf jemanden mit – na, wie heißt das noch gleich? – mystischen Kräften zeigen? Bin ich, Nestor Kiklu, etwa ein Mystiker? Wohl kaum, und ich will auch gar keiner sein. Nein, es liegt einfach daran, dass wir von derselben Mutter zur gleichen Zeit geboren wurden und gemeinsam aufgewachsen sind. Und trotzdem sind wir vollkommen unterschiedlich. Und obendrein ... habe ich genug von ihm!«
»Von deinem eigenen Bruder?«
»Ja«, antwortete Nestor. »Von dem Ärger, den er mir bisher bereitet hat, und von dem, den er mir noch machen wird.«
»Ah ja!«, sagte Jason. Denn er glaubte, wenigstens das zu begreifen.
Nestor funkelte ihn an. »Ah ja?«
Jason erkannte, dass er einen Fehler gemacht hatte und versuchte, das Thema zu wechseln. »Auf der Sternseite hast du gesagt, dass Nathan weder taub noch blöde sei. Und doch hast du ihn noch vor einem Augenblick einen Idioten genannt. Das passt doch nicht zusammen.«
Nestors Gesicht verfinsterte sich. »So manches passt nicht zusammen«, erwiderte er. »Zum Beispiel die Art und Weise, wie du um den heißen Brei herumredest! Na, komm schon, heraus damit.«
Jason schnitt eine Grimasse und zuckte unbehaglich die Schultern. »Misha«, sagte er. Ein einziges Wort, ein Name, der ihm wie ein schweres Gewicht von der Zunge rollte. Nestor war ein harter Bursche und seine Fäuste nicht minder. Es wäre nicht das erste Mal, dass jemand sich eine blutige Lippe holte, nur weil er jenen Namen aussprach.
Nestor setzte sich auf, sein Brustkasten weitete sich, und grollend fragte er: »Was ist mit ihr?« Seine Stimme war rau, nicht mehr jung, sondern diejenige eines Mannes, fragend und bedrohlich zugleich. Sie klang nach Eifersucht.
»Als Kinder wart ihr drei unzertrennlich«, sagte Jason hastig. »Wir vier waren den ganzen Tag zusammen. Ich war ein Freund für sie. Aber dich und Nathan, euch beide hat sie geliebt. Das tut sie immer noch, da bin ich mir sicher.«
Nestor sackte in sich zusammen. »Ich mir auch«, sagte er düster. »Und das kann nicht sein. Natürlich hast du recht,
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