DÄMONENHASS
Schnitte. Er war nicht geschändet worden, und in seinen Mundwinkeln stand kein Blut. Während Lardis ihn untersuchte, hustete er und begann sich stöhnend zu regen.
Mit einem Mal wirkte Lardis aufgeregt. »Weißt du«, sagte er mehr zu sich selbst, »weißt du – ich glaube, er ist in Ordnung!« Doch sofort verwandelte sich seine freudige Erregung in Niedergeschlagenheit. »Aber sein Bruder Nestor – wir haben gesehen, wie der Flieger ihn geraubt hat!«
»Er ist verschwunden«, nickte Andrei, »wie so viele andere.«
»Das wissen wir nicht mit Bestimmtheit.« Lardis hob Nathans Kopf an und gab ihm einen heftigen Klaps. »Wir haben dem Biest einen ordentlichen Bolzen verpasst!«
Wieder nickte Andrei. »Oh ja, und Kirks Schrotflinte hat den Reiter aus dem Sattel geholt!« Er blickte zur Seite. Nicht weit entfernt war ein Wamphyri-Offizier mit Silbernägeln an ein schweres Holzkreuz genagelt worden. Er hing dort wie ein blutig-nasser Lappen, allem Anschein nach tot, ganz sicher aber nicht bei Bewusstsein. »Aber der Flieger ist weg, welche Hoffnung besteht also noch für Nestor? Wenn die verletzte Bestie ihn fallen ließ, hat der Sturz ihn umgebracht, dasselbe dürfte der Fall sein, wenn sie gemeinsam abgestürzt sind. Am schlimmsten wäre es, sollte das Vieh es bis nach Hause schaffen.«
Nathan hustete wieder und rollte den Kopf in Lardis’ Armbeuge herum. Lardis sah Andrei an und sagte: »Wohin nach Hause? Ja, ich weiß schon, Karenhöhe – aber woher stammen sie? Hier sind die Hurensöhne vielleicht Neulinge, aber in ihrem teuflischen Spiel kennen sie sich aus. Sie waren mit allem ausgestattet! Sie hatten Flieger, Krieger; sie trugen Handschuhe! Woher kamen sie also?«
Andrei blickte wieder zu dem Offizier am Kreuz. »Wenn der da wieder zu sich kommt, finden wir es vielleicht heraus. Aber sehen wir den Tatsachen ins Auge: So oder so hat er kaum eine Wahl. Wenn er redet, geht er auf den Scheiterhaufen, und wenn er nicht redet ... dann auch. Ich persönlich bin der Ansicht, wir sollten ihn gleich verbrennen. Was ist, wenn sie zurückkommen, um ihn zu befreien?«
Lardis schüttelte den Kopf. »Das werden sie nicht tun. Sie haben jetzt andere Dinge im Kopf.« Einen Augenblick lang dachte er an Lissa und Jason, dann schob er ihr Bild von sich. Wenn er hier weitermachen wollte, musste er den Gedanken an sie verdrängen.
»Aber«, fuhr er fort, »wenn sie vermuten, dass es kein Unfall war und wir den hier tatsächlich runtergeholt und getötet haben ... dann werden sie sich ein paar Fragen stellen. Sie sind hier fremd und wissen noch nicht genau, wozu wir in der Lage sind. Dieser Überfall auf uns war ihr erster, und sie hatten den Vorteil, uns vollkommen unvorbereitet zu finden. Trotzdem ist es möglich, dass wir einen Offizier getötet haben, und das bedeutet, dass wir auch einen von ihnen töten könnten. Das wiederum garantiert, dass sie irgendwann, vermutlich beim nächsten Sonnunter, wiederkommen werden – und das nicht nur aus bloßer Neugier. Dass wir also den da gefangen haben, ist ein Punkt zu unseren Gunsten und schlägt besonders zu Buche, wenn wir ihn zum Reden bringen. Er muss reden – ich will wissen, wer sie sind! ... Und wenn uns das im Moment nichts nützt, dann doch später!«
Das war keine leere Drohung, und Andrei wusste es. Ihm war klar, dass Lardis eines Tages von den Händen der Wamphyri sterben würde. Es ging gar nicht anders, denn jetzt hieß es: er oder sie – bis zum bitteren Ende. Und er war nur ein Mensch und sterblich, während sie anscheinend ewig lebten.
Nathan erwachte. Lardis bemerkte es sofort, denn plötzlich versteifte sich der Nacken des Jungen in seiner Armbeuge, und Nathan hörte auf zu atmen. Er hatte die Luft angehalten. Starr und reglos lag er da, wie versteinert, weil er wusste, was sich hier abgespielt hatte, und keine Ahnung hatte, was jetzt um ihn herum vorging. Schließlich öffnete er die Augen – zunächst nur einen Spalt, dann weiter, bis er Lardis sah. Dann erst entspannte er sich und atmete aus.
Doch Lardis blieb hart. Er kniff die Augen zusammen. Noch war er nicht ganz davon überzeugt, dass der Junge außer Gefahr war. »Nathan«, sagte er, »kannst du mich hören?«
Nathan nickte und Lardis half ihm, sich aufrecht hinzusetzen. Nathan sah, wo er sich befand, bemerkte, dass er nackt war, und zog die Decke enger um sich. Während Lardis ihn stützte, blickte er über den Tisch. Am einen Ende lagen mehrere Gestalten auf dem Rücken, am anderen sah er
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