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DÄMONENHASS

DÄMONENHASS

Titel: DÄMONENHASS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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ihn – oder wenigstens seine Gedanken – manchmal an andere Orte, in andere Bewusstseine zu tragen
vermochten. Es war Teil einer telepathischen Begabung, die er mit Nestor teilte. Dazu gehörte auch, dass er seine Gedanken schweifen lassen und eine Verbindung zu seinem Bruder herstellen konnte. Eine weitere Fähigkeit, über die er allein verfügte, gestattete es ihm, mit seinen Wölfen zu reden. Solange er wach war, musste er seinen Willen schon sehr anstrengen, um dies zu erreichen, und selbst dann gelang es ihm nicht immer. Doch wenn er schlief, hatte er keinerlei Kontrolle darüber. Dann schien seine Begabung selbstständig zu arbeiten, gelegentlich auch mithilfe dessen, was Nathan schon seit Langem den ›Mahlstrom der Zahlen‹ nannte.
    Jetzt befand er sich in diesem Mahlstrom, doch nur einen Augenblick lang. Im nächsten Moment spürte er, wie er ausgestoßen, davongeschleudert wurde und dann hinabstürzte – in Wasser! In den Fluss!
    Und weil er nach Nestor gesucht hatte, war er nun Nestor. Er war eins mit dem Geist seines Bruders. Er wusste, was Nestor wusste, fühlte, was Nestor fühlte, sah, was dieser sah. Nämlich nichts.
    Nathan wusste, wie sich ein ›totes‹ Bewusstsein anfühlte. Dies war ähnlich, und doch war es gleichzeitig weniger als der Tod. Denn die Toten wussten vieles, und dieser Verstand – Nestors Verstand – wusste gar nichts! Nathan glaubte zu verstehen, was das bedeutete: dass sein Bruder gerade gestorben war und von den anderen, die vor ihm gegangen waren, noch nichts gelernt hatte.
    Er spürte, was Nestor spürte: nichts. Oder vielleicht spürte er doch etwas oder war sich einer Sache bewusst – des sanften Dahinfließens von kaltem, oh so kaltem Wasser, seine Lungen waren voll davon und drückten ihn wie Blei herab, und er spürte das erste vorsichtige Knabbern eines kleinen, neugierigen Fisches. Er sah, was sein Bruder sah: nichts. Oder vielleicht dunkelgrünes Flusskraut, das an seinem verschwommenem Sichtfeld vorüberglitt und das Bild vor seinen aufgerissenen, starren Augen immer mehr ausfüllte ... bevor die letzte Dunkelheit ihn umfing!
    Und da erkannte er, dass Nestor tot war, ertrunken und auf ewig für ihn verloren.
    Er schreckte auf ...
    ... und sah, dass Eleni Sintana neben ihm kniete. Ihre braunen Augen blickten ängstlich in die seinen. Sie hatte seine Schultern gepackt und drückte ihn unter Wasser. Nur ... da war gar kein Wasser. Endlich holte er tief Luft, hörte auf sich zu wehren und ließ zu, dass sie ihn sanft in die von seinem Körper eingedrückte Höhlung ihres Bettes zurückschob.
    »Ein Traum?«, fragte sie besorgt.
    Nathan nickte. Er spürte, wie ihm der kalte Schweiß von der Nasenspitze tropfte. Mehr als nur ein Traum, Eleni, wollte er sagen. Aber er konnte nicht, weil er wusste, dass sie es nicht verstehen würde. Doch als er in ihr Gesicht aufsah, in ihre Augen ... erinnerte sie ihn so sehr an seine Mutter ... und an Misha ... und er wünschte sich, dass sie ihn in die Arme nehmen würde, um ihn zu beschützen.
    Er bemerkte, dass sie gerade dazu ansetzte – da erklang Nikhas sanfte Stimme vom Eingang des Zeltes: »Das Essen ist fertig, Nathan. Kommst du?«
    Der Bann war gebrochen.
    Nathan gesellte sich zu den anderen, aber er war schweigsam und hatte keinen Appetit. Mit dem Essen war alles in Ordnung, auch mit der Gesellschaft, nur mit ihm nicht. Denn jetzt wusste er, dass er allein war, ganz und gar allein, und was er für sein Erwachen in dieser Welt gehalten hatte, war nur der Anfang vom Ende gewesen. Die Wamphyri hatten aus seiner Fantasiewelt die Realität geschmiedet – hatten alles verändert, ihm gezeigt, wer er war und wohin er gehörte – und ihn dann doch seiner Wurzeln beraubt. Jetzt trieb er haltlos wie Nestors Leiche dahin, und nicht einmal das Schlingkraut dessen, was hätte sein können, vermochte ihm Halt zu geben.
    Denn das letzte Bindeglied war zerbrochen. Nestor war tot, und in seinem Herzen spürte Nathan dieselbe Kälte, die seinen Bruder umfing.
    Zwei Meilen flussabwärts in einer kiesigen, flachen Flussschleife, schrie ein stämmiger, bärtiger Fischer auf, warf seine Angel
beiseite und stürzte bis zu den Oberschenkeln ins Wasser.
    Er hatte einen dahintreibenden Baumstamm beobachtet, der aus dem Hauptstrom ins flache Uferwasser getrieben war. Und weil er wusste, dass manchmal Fische im Schatten von Treibgut schwammen, dachte er, dass sich bei diesem großen Holzstück wohl auch ein großer Fisch aufhalten musste. Doch

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