DÄMONENHASS
und seine Mutter und vor allem an seinem Szgany-Eid. Doch andererseits fühlte er sich ... wie erneuert? Gewiss machte er gerade einen neuen Anfang. Und er wusste auch, dass, solange er lebte, sein Schwur niemals ganz vergessen sein würde.
An einer Stelle, an der das Sonnenlicht schräg durch das Blattwerk am Flussufer fiel, blieb er stehen und faltete Nikhas Karte auseinander. Die Route schien nicht sonderlich schwierig zu sein. Er musste wieder an den Ort zurück, an dem die Sintanas ihr Lager aufgeschlagen hatten, dem außer Gebrauch geratenen Pfad etwa fünfzehn Meilen weit in östlicher bis südöstlicher Richtung folgen, und dann durch die Waldsenke eines schmalen, gewundenen Tales in südlicher Richtung gehen. Dort, wo das Tal gen Westen bog, um dem Verlauf eines Baches zu folgen, musste er eine sanfte Steigung überwinden, bis er wieder ebenen Grund erreichte. Nach einem weiteren Marsch fünf oder sechs Meilen in südlicher Richtung durch einen breiten Gürtel aus Eisenholzbäumen (wenn Nathan Glück hatte, traf er dort auf einen weiteren alten Pfad) würde er das Grasland erreichen. Dort bestanden die Wälder aus Eschen, Walnussbäumen, wilden Pflaumenbäumen und ein paar Eisenhölzern. Je nachdem, an welcher Stelle er aus dem Hangwald herauskam, sollte das Lager der Sintanas nicht mehr als zwei oder drei Meilen entfernt in östlicher oder westlicher Richtung liegen. Ein geübter Fährtenleser konnte ihren Fußstapfen vermutlich unmittelbar folgen. Zumindest hatte Nikha das gesagt ...
Nathan ärgerte sich über sich selbst. Wäre er nur drei Stunden früher erwacht, dann wäre alles im Lot gewesen. Er hätte an den Spuren der Räder im lehmigen Boden sehen können, wo die Wagen den Pfad verlassen und sich ihren Weg durch den Wald gebahnt hatten. Weitere Anzeichen waren zerquetschtes Laub, gebrochene Zweige, Zugtierlosung. Aber das Tageslicht war bereits im Schwinden begriffen, und er hatte noch nicht einmal die Stelle erreicht, an der sie sich begegnet waren.
Er legte etwas Tempo zu und hielt sich zwischen den Bäumen parallel zum Fluss, bis er außer Atem war; dann verfiel er wieder in einen raschen Gehschritt. Allmählich überkam ihn eine leichte Panik, doch er wusste, dass ihm das nicht helfen würde.
Wie weit musste er laufen – fünfzig, sechzig Kilometer? Und wie viel Zeit hatte er dafür? In zehn oder zwölf Stunden würde es Sonnunter sein. Das war genug Zeit, wenn er auf offenem Feld auf einem guten, festen Weg gewesen wäre. Aber im Wald würde die Dämmerung lange vorher einsetzen. Vor wilden Tieren brauchte er sich nicht groß zu fürchten, aber wenn er sich verirrte, hatte er ein Problem. Seine neuen Wanderer-Freunde würden sich Sorgen um ihn machen. Zumindest nahm er das an und hoffte, dass Eleni sich um ihn sorgte. Außerdem war er nicht gerade erpicht auf eine lange, einsame Nacht im Wald ...
Es kam ihm lange – viel zu lange – vor, aber endlich bahnte Nathan sich seinen Weg durch das Unterholz auf den alten Pfad, auf dem er den Szgany Sintana zum ersten Mal begegnet war. Nachdem sie ihr Lager abgebrochen hatten, hatten sie sorgfältig ihre Spuren verwischt. Wenn er es nicht besser wüsste, hätte er geschworen, dass hier niemals jemand gewesen war! Trotzdem hatten sie die tiefen Wagenspuren auf dem überwucherten Pfad nicht verbergen können, und er folgte ihnen in gleichmäßigem, zügigem Dauerlauf. Die Bäume schienen immer höher zu wachsen, das Licht wurde unmerklich schwächer, und der lange Nachmittag näherte sich seinem Ende ...
Nathan wurde mit einer uralten und äußerst unwissenschaftlichen Tatsache konfrontiert: Wenn die Zeit knapp ist, vergeht sie schneller als sonst. Außerdem fand er heraus, dass Konzentration sich gegen einen selbst wenden kann. Ging man etwas zu verbissen an, konzentrierte man sich früher oder später nur noch auf die eigene Konzentration und nicht auf die zu bewältigende Aufgabe. Seine Glieder und Muskeln hatten sich an die beständige rhythmische Beanspruchung gewöhnt, bis der dumpfe Schmerz der unablässigen Bewegung ihn in eine Art Dämmerzustand gleiten ließ. Nathan achtete nicht mehr darauf, wohin er seine Schritte setzte, und plötzlich war der Pfad zur Gänze überwuchert, und es gab keinerlei Anzeichen mehr, dass hier je ein Mensch, Tier oder Wagen vorbeigezogen war ... Was auch nicht der Fall war! Trotz seiner angestrengten Konzentration hatte Nathan die Stelle verpasst, an der die Wagen den Weg verlassen hatten.
Er lief ein oder
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