DÄMONENHASS
Fragen, Nathan. Es gibt Wichtigeres. Zunächst müssen wir uns über die Ältesten der Thyre unterhalten ...
Doch ehe er fortfahren konnte, kam Atwei zurück. Um ihren schlanken Hals hatte sie ein Tragejoch, von dem zwei silberne Tabletts herabhingen, auf denen mehrere kleine Holzschalen mit Speisen standen. Während Nathan ihr zusah, wie sie die Schalen von den Tabletts nahm und auf den Tisch stellte, bemerkte er, wie ihm der Mund wässrig wurde. Zum ersten Mal seit langer Zeit wusste er, welche Dinge ihm am wichtigsten waren. Zumindest für den Augenblick.
Nathan und Atwei saßen einander gegenüber am Tisch zwischen den Spiegeln und aßen. Im Schein des diffusen Sonnenlichts wirkte ihre Haut eher golden als braun, und er bemerkte, wie ihre Pupillen sich in dem hellen Licht verengten. Die Speisen waren faszinierend, sogar exotisch. Nathan hätte nie auch nur im Traum daran gedacht, dass das ›primitive‹ Wüstenvolk über eine derartige Auswahl verfügte. Atwei bestand darauf, dass das Essen für ihn bestimmt war, und aß selbst nur wenig; sie leistete ihm bei seinem Mahl einfach nur Gesellschaft. Nathan fühlte sich geehrt. Er vermutete, dass er der erste Szgany war, der je von diesen Dingen erfahren hatte. Gewiss war er der erste, der sie zu sich nahm.
Es gab in Pflanzenöl marinierte Walnüsse, gelbe Blasenwurzeln, deren Saft bittersüß und scharf schmeckte, gebratene Fleischstreifen in aromatischen Soßen, verschiedene Pilzsorten und kleine, augenlose, im Ganzen gebackene Fische. Verschiedene Obstsorten folgten: würzige Kakteenäpfel, Feigen und runde, reife Zitronen, ein Bund mit kleinen, grauen Trauben. Alles schmeckte ausgezeichnet, aber Nathan fand eine Art kleiner Würstchen besonders lecker und fragte Atwei, woraus sie bestanden. Ein Fehler, wie sich sogleich herausstellte.
»Aus Erdmaden«, antwortete sie.
Kurzes Schweigen. »Aus Würmern?« Fragend legte er den Kopf schräg.
»So ähnlich. Wir züchten sie ...«
Damit war die Mahlzeit beendet.
Sie säuberten sich die Hände in kleinen Fingerschalen. Danach schloss Atwei die Augen, hob die Fingerspitzen ihrer rechten Hand an die Stirn und verharrte einen Moment lang reglos. Dann lächelte sie und fragte: »Hat es dir geschmeckt?«
»Sehr. Ich danke dir.«
Sie lächelte wieder. »Und ich habe Ihm gedankt«, sagte sie.
»Ihm?«
»Wer auch immer zuhört.«
»Glaubst du, dass es jemanden gibt?«
»Du nicht?«
»Ein Großteil unseres Glaubens starb am Tag der Weißen Sonne«, zitierte er aus der kargen ›Geschichtsüberlieferung‹ der Szgany. »Die Menschen kannten die Schrift, Zahlen, Wissenschaften, und einige glaubten an einen Gott. Von den Wissenschaften blieb nur sehr wenig übrig und von der Religion fast nichts. So nahe bei den Wamphyri fällt es den Menschen schwer, an einen gnädigen Gott zu glauben! Wenn die Szgany heutzutage beten oder danken, wenden sie sich an ihre Sterne, die so weit entfernt sind, dass ihnen selbst der Einfluss der Vampire nichts anhaben kann.«
An deiner Stelle, meldete sich Rogei in seinem Geist zu Wort, würde ich jetzt um die Hilfe meines Schutzsterns flehen! Nathan, ich habe mich aus allgemeinem Anstand zurückgehalten. Die Thyre erheischen Abgeschiedenheit beim Essen; Atwei hat dir eine hohe Ehre erwiesen. Aber jetzt ist die Zeit gekommen, da wir über die Ältesten sprechen müssen!
»Nun gut«, antwortete er.
Sie hob eine Augenbraue. »Was meinst du?«
»Ich habe mit Rogei gesprochen«, erklärte er.
Ihre Brauen zogen sich vor Besorgnis noch weiter in die Höhe. »Du hättest nicht allein aufstehen und dich ankleiden sollen. Ich habe dir doch gesagt, dass du warten musst, bis du wieder bei Kräften bist. Du hast lange im Delirium gelegen und ... das könnte wieder der Fall sein!«
Nathan seufzte und schüttelte den Kopf. »Ich bin ein bisschen schwach, das ist alles«, sagte er. Aber dann kam ihm ein Gedanke. »Atwei, hör zu: Ist es vielleicht möglich, dass du dich ebenfalls im Delirium befindest?«
»Ich? Jetzt? Natürlich nicht!«
»Gut! Dann sage mir, ob ich es richtig verstehe: Meine
Fähigkeit, Gedanken zu lesen, ist begrenzt, deine jedoch nicht. Stimmt das?«
»Wenn jemand ein Telepath ist, kann ich seine Gedanken lesen«, erwiderte sie und runzelte die Stirn. »Außerdem kann ich einen anderen Geist, der meinen zu lesen versucht, zum Teil blockieren. Das ist Übungssache. Bisher ist deine Begabung noch nicht entwickelt. Aber du hast die Fähigkeit dazu.«
»Ich frage mich«,
Weitere Kostenlose Bücher