DÄMONENHASS
eingedroschen hätte! Der Knochen ist wieder verheilt, aber unter der Haut ist noch ein dicker, fester Knoten, der wahrscheinlich noch tiefer geht. Außerdem hat er einen Bolzen abbekommen und eine Menge Blut verloren. Man sieht ganz deutlich die Narben an der Seite. Er ist in den Fluss gestürzt oder geworfen worden und dabei fast ertrunken. Und das alles ist mit den ersten Angriffen der Vampire auf Siedeldorf und Zwiefurt zusammengefallen. Davon wusste ich nichts, als ich ihn aus dem Wasser zerrte, ansonsten hätte ich mich nicht sehr beeilt. Oder? Soweit ich weiß, hätte er gut und gern ein Opfer der Wamphyri sein können! Nun ja, mittlerweile hätten wir das sehen müssen. Das ist also mit ihm geschehen. Alles in allem ist er ein Einfaltspinsel mit einem Dachschaden, bei dem scheinbar nur die natürlichen Instinkte in Ordnung sind – jedenfalls einige davon. Aber selbst die scheinen nicht ganz auf der Höhe zu sein, sonst hätte er längst gemerkt, dass du hinter seinem besten Stück her bist!«
»Brad Berea?« Hinter der verhangenen Plattform unter den Sparren, die ihnen als Bett diente, erklang die Stimme seines Weibes. »Komm ins Bett und lass die jungen Leute in Ruhe.« Nach dem harten Tag hatte sie sich schon früh zur Ruhe begeben, aber sie würde auch ebenso früh in den frühen Nachtstunden wieder aufstehen. In der gefährlichsten Zeitspanne konnte man ebenso gut wach sein, wenn die Sonne untergegangen war, die Sterne hell über dem Grenzgebirge schienen und die Vampire nach langem Schlaf durstig waren.
»Hah!«, schnaubte Brad und dachte: Jawohl, Brad, alter Junge, voran und tu deine Pflicht!
Aber Irma war ihm schon eine gute Frau. Ohne sich zu beklagen, hatte sie mehr als zwanzig Jahre lang zu ihm gehalten und das einsame Dasein im Wald mit ihm geteilt. Brad war ein Einzelgänger gewesen, als sie damals von ihrer Szgany-Gruppe davongelaufen war, um bei ihm zu bleiben, und ein Einzelgänger war er geblieben. Ab und zu besuchten sie Zwiefurt. Das war Irmas einziges Vergnügen im Leben, das und Brads Liebe und das Wissen, dass er sein Leben lang auf sie und ihre Tochter aufpassen würde. In Zeiten wie diesen war es mehr als genug. Zwiefurt lag nun allerdings in Trümmern, die Straßen waren menschenleer, und das Geräusch der im Wind schlagenden Türen klang wie vereinzelte trotzige Schreie. Es gab keinen Grund mehr, dorthin zu reisen.
»Und ihr beiden?« Der bärtige Brad sah zu Glina und Nestor, die neben der offenen Tür saßen. »Bleibst du wieder die ganze Nacht lang auf, Mädchen? Um bei dem da zu sein? Kein sinnvolles Unterfangen! Denn ich frage mich: Sitzt er nur herum und denkt nach? Oder sitzt er nur herum?« Er legte seine Jacke ab und trat an die Stufenleiter, die zu seinem Bett führte.
Glina sah zu Nestor, dessen Blick Brad bei seinem Aufstieg folgte. In diesen Augen lag nicht viel, aber sie hatten Seele in sich. Brad führte eine raue Sprache, aber er hatte auch ein weiches Herz, und Glina glaubte, dass Nestor dies wusste. »Ich bleibe noch etwas sitzen und rede mit ihm«, sagte sie. »Ich glaube, er weiß, was ich sage; es bedeutet ihm bloß nicht viel. Vielleicht gehen wir im Licht der Sterne am Fluss spazieren. Das gefällt Nestor.«
Ach ja, dachte Brad, und was gefällt Nestor sonst noch? »Na, dann ist er wohl der starke, schweigsame Typ, oder?«, rief er hinunter und grinste unwillkürlich. Er trat hinter die Vorhänge, legte seine Kleidung ab und hängte die Sachen an Zapfen in den Sparren. Kurz darauf lag er im Bett.
Unten lauschte Glina kurz und hörte das Knarren, als ihr Vater sich zurechtlegte, und dann das leise, warnende Raunen ihrer Mutter: »Schscht! Sei leise ... die beiden jungen ... Komm schon, lass mich mal.« Und dann die rhythmischen Laute ihrer Paarung. In einer Holzhütte gab es nur wenig Privatsphäre.
Dann legte sich Nestors Arm um ihre Hüfte, und seine Hand glitt unter ihre Bluse und drückte ihre großen Brüste. Das ergab sich ganz automatisch, wenn er mit ihr allein war, etwas, das er mittlerweile erwartete und das ihm gefiel, etwas, das Glina ihm beigebracht hatte. »Ja, ja«, hauchte sie in sein Ohr und fuhr ihm mit den Fingerspitzen über den Hosenschritt. »Aber nicht hier.« Und er folgte ihr durch die offene Tür in die Nacht.
Noch war die Nacht nicht kalt. Zuerst gingen sie langsam unter dem hellen Sternenlicht, dann etwas schneller, bis sie schließlich schwer atmeten und keuchend über einen ausgetretenen Pfad zum Fluss liefen. Am Ufer aus
Weitere Kostenlose Bücher