DÄMONENHASS
sein Bezugspunkt stets der Eissplitterstern, der kalt über dem Grenzgebirge funkelte. Hinter jenem Gebirge lag die Sternseite, der letzte Horst, die Heimat der Wamphyri. Und da er sie nun wieder gesehen hatte, wie sie auf finsteren Schwingen durch die Nacht glitten, schien sich endlich alles zusammenzufügen.
Nestor wusste, dass er schon einmal dort gewesen war. Zwar konnte er sich nicht an die Umstände erinnern, aber er war sich ganz sicher. Vielleicht stammte er ja von der Sternseite? Zumindest war er gewiss, dass er dorthin musste. Die Sternseite war seine Bestimmung. Vielleicht war er ein Ausgestoßener, ein gemiedener Mischling, den sein eigenes Volk verbannt hatte, damit er sich in der Welt durchschlug, so gut er es eben vermochte. Nun gut, und jetzt war er auf dem Rückweg nach Hause.
Was die Sonnseite betraf ...
... so wusste er, dass er dort Feinde hatte, er musste sich auf dem Weg in Acht nehmen, Menschen hatten ihn verfolgt, hatten ihn verletzt und würden ihn töten, wenn sie konnten! Er trug Narben, die das bewiesen. Und er erinnerte sich an ... Dinge. Während seiner gesamten Zeit bei den Bereas hatte er sich an sie erinnert, konnte aber nicht über sie sprechen, wagte es nicht. Einmal hatte er zu Brad Berea gesagt, ohne nachzudenken: »Ich bin der Lord Nestor.« Aber danach hatte er geschwiegen. Denn wie seine vielen unbestimmten Gedanken und Erinnerungen war auch seine Zunge ein verräterisches Ding. Sie würde ihn verraten, und es hatte schon genug Verrat gegeben.
Einst hatte er einen Freund gehabt, einen sogenannten ›Bruder‹, ein Kind, das mit ihm spielte, als er selbst noch ein Kind war. Aber das war ein Verräter gewesen, dessen verlogene Gedanken sich hinter einem Schirm aus Zahlen verborgen hatten, die er nur dazu benutzt hatte, Nestor selbst noch in seinen Träumen zu quälen. Der war nun wirklich sein größter Feind!
Einst hatte Nestor ein Mädchen geliebt, das ihn aber nicht wiedergeliebt hatte. Sie war ebenfalls eine Verräterin. Aber ob sie nun wollte oder nicht, eines Tages würde sie ihn schon noch ›lieben‹. Und sie würde an ihrer Liebe zu ihm sterben. So lautete sein Schwur.
Früher hatte er auch einen Flieger besessen. Er erinnerte sich an sein Ende: wie er brodelnd in den Hügeln verfaulte. Er wusste noch, wie ein Bolzen das Tier in die Seite getroffen hatte, und erinnerte sich an den Fluss, dessen kaltes Streicheln ihn fast hätte ertrinken lassen, und an Glina, deren heißes Streicheln ihm seine Männlichkeit gegeben hatte. Wenn sie geahnt hätte, wer und was er war ... Dann wäre sie vielleicht nicht so eifrig bemüht gewesen. Nicht einmal die unscheinbare Glina.
Ich bin Lord Nestor von den Wamphyri!
Aber ein Lord in der Verbannung, seiner Kräfte beraubt, der nun auf dem Weg nach Hause war ...
Mühelos trabte er durch die langen Stunden der Nacht. Wenn er ein Ziel vor Augen hatte, kannte er keine Müdigkeit. Bei Tag hatte er genug Zeit zum Schlafen, bevor er seinen Weg zur Sternseite fortsetzte. Der Nordstern lockte ihn unaufhörlich, und die Meilen glitten unter seinen Füßen dahin.
Er ließ sich von seinem Instinkt leiten, behielt nur den hellblauen Eissplitter am Himmel im Auge und ließ seinen Körper sich um den Rest kümmern ... Schon die schiere Vorstellung besorgte den Rest. Die Zeit verging wie im Flug, und schließlich wurden seine Schritte unsicher. Er war doch nicht so unermüdlich, wie er gedacht hatte.
Er trank aus einem Bach, wusch sich den Schmutz des Waldes aus den Augen, setzte sich an einen Baum und ließ den Rücken dagegen sinken. Fast ohne es zu merken, schlief er ein, und er erwachte zitternd und verwirrt und fragte sich, wo er war. Aber da war der Nordstern, und die Vorstellung erwachte erneut zum Leben. Als er seine Glieder wieder in Gang setzte, pochte das heiße Blut in ihm, und bald vertrieb seine Wärme die Kälte aus ihm.
Dann traf er auf ein Szgany-Lager. Sie hatten Wachen aufgestellt, und mindestens ein Wolf war dabei. Ihr Wachhund schlug an, die Männer hörten ihn und riefen eine Parole in die Nacht. Nestor gab keine Antwort, sondern hastete weiter. Sie ließen ihr Tier los, das sich sogleich auf seine Fährte setzte und ihm folgte. Fauchend fuhr er herum und richtete die Spitze des Bolzens auf seine Kehle. Aber ... der Wolf wedelte mit dem Schwanz, kam witternd näher, sprang an ihm hoch und leckte ihm übers Gesicht! Da kam Nestor eine schwache Erinnerung, dass er und ... er und ... ein anderer (der ihm nahe stand? Aber
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