DÄMONENHASS
Gefangener bist, scheinst du dir doch eine ganze Menge nützlicher Kenntnisse angeeignet zu haben.«
Jetzt nickte Nicolae und seufzte. »Ich habe viele Stunden an Fenstern wie diesem verbracht und Turgosheim betrachtet«, sagte er. »Aber in Runenstatt gibt es auch Dinge, in die man hinein sehen kann. Ich räume sämtliche Räume von Maglore auf. In einer Werkstatt bewahrt er ein erstaunliches Modell der Schlucht auf, das alle Türme und Stätten darstellt. Denn Lord Maglore ist ein Magier und ein Seher und glaubt an die magischen und mystischen Dinge. Wenn ein anderer Lord Ränke gegen ihm schmiedet, spricht Maglore Flüche über dem Abbild seiner Stätte aus, auf dass ihm Unheil widerfahre! Außerdem ist er ein Mentalist, und das Modell unterstützt ihn in seiner Konzentration, wenn er seine Gedanken aussendet, um seinesgleichen auszuspionieren. Es liefert ihm die Ziele für seine Geistespfeile.«
»Du solltest dich in Acht nehmen«, sagte Nathan, »dass er nicht in deinen Geist späht!«
»Warum sollte er?«, sagte der andere und zuckte leicht zusammen. »Was bin ich schon? Ein Nichts!« Dennoch wich er in plötzlichem Schrecken ein wenig zurück. Mit einem Mal war ihnen, als wäre ein Wind durchs Fenster geweht. Die beiden wurden von einer inneren Kälte erfasst, und dann wurde Nicolaes Schrecken nur allzu greifbare Wirklichkeit. »Maglore!«, hauchte er.
Im Zimmer lag ein Schatten am Fuß der Treppe, einer von vielen, die durch die flackernden Gasflammen aus der Küche geworfen wurden. Er war schon einige Zeit dort gewesen, obgleich weder Nicolae noch Nathan ihn bislang bemerkt hatten. Aber es war kein bloßer Schatten, denn als ihre Blicke auf ihn fielen, sahen sie, dass seine Augen rot funkelten. »In der Tat: Maglore!«, sagte er.
Nicolae sprang auf und stürzte vor Schreck brabbelnd die Holztreppe so rasch hinab, dass sie geradezu bebte. Maglore fing ihn jedoch am Fuß ab, packte ihn mit einer krallenähnlichen Hand an der Schulter und brachte den aufjapsenden Knecht brutal zum Stehen. »Nicht so rasch«, sagte er leise mit Unheil verkündender Stimme. »Für jemanden, der so bereitwillig mit Fremden spricht, Nicolae, sprichst du mit deinem Herrn bei Weitem nicht genug.«
»Meine Zunge ging mit mir durch!« Der Knecht war völlig außer sich.
»Ach ja?«, schnurrte Maglore. »Nun ja, vielleicht geht sie dir jetzt ganz und gar durch. Tatsächlich hätte ich gute Lust, sie dir aus dem Gesicht zu beißen!«
Nathan war aufgestanden und sah auf Nicolae und Maglore herab. Er erkannte den Gefühlssturm in dem Seher-Lord. Er stieg die Stufen hinab und sagte: »Herr, ich habe ihm Fragen gestellt. Andernfalls hätte Nicolae mir keine Antworten geben können. Ich erkundigte mich lediglich über Turgosheim und hegte keine böse Absicht. Und seine Antworten machten einen harmlosen Eindruck.«
Maglore warf einen kurzen Blick auf Nathan, als dieser den Fuß der Treppe erreichte, dann funkelte er Nicolae wieder an. »Wenn er sich so bereitwillig mit dir unterhält, spricht er vielleicht auch mit anderen – aber worüber? Vielleicht über das Zimmer mit dem Modell, in dem ich durch Zauber und Bannsprüche jedwedes mir zugefügte Unrecht ins rechte Lot zu bringen versuche? Oh ja, unter den Lords und Ladys gibt es so einige, die sich das Kunstwerk sofort aneignen würden und deren Glaube an Magie und Mystik dem meinen in nichts nachsteht!«
»Ich würde doch niemals gegen dich arbeiten, Herr!«, leugnete Nicolae lauthals und wand sich zappelnd wie ein Wurm in Maglores Griff. »Dass ich mit diesem Nathan sprach ... Er gehört doch dir! In Runenstatt gehören wir alle – jeder Einzelne von uns – dir!«
»Aber wir sind nicht alle so neugierig«, erwiderte Maglore.
Nathan gab sich einen Ruck und sagte: »Wenn Nicolae in irgendeiner Hinsicht schuldig ist, bin ich es ebenfalls. Aber ich sage erneut: Wir sind unschuldig, Herr.«
Maglore löste seinen Griff und stieß Nicolae so heftig von sich, dass er rücklings gegen die Wand stolperte. Sein Blick bannte ihn, sodass er bebend verharrte und an Flucht nicht einmal zu denken wagte. Mit knurrender Stimme gab der Seher-Lord Nathan zur Antwort: »Du könntest – möglicherweise – unschuldig sein. Aber der da ...?« Er hielt den brennenden Blick auf Nicolae gerichtet. Mittlerweile hatte sich seine Oberlippe wie bei einem Hund von den Fangzähnen zurückgezogen, und diese Fänge begannen sich bereits zu verwandeln; aus dem aufgerissenen Gaumen rann Blut über das aus
Weitere Kostenlose Bücher