DÄMONENHASS
der Klamm siehst du die aufragenden Stücke, die nicht ›abgebissen‹ wurden.
Tatsächlich handelt es sich dabei um Felssäulen, die aus der alten Schluchtwand herausgewaschen wurden. Säulen, Spitzkegel, manchmal Kaminwände an den Stellen, wo der Abbruch vom Hauptkliff nicht vollständig geschehen ist. Heute haben wir gutes Licht, auch wenn die Tanks und Kessel der Wamphyri mit Volldampf brodeln. Weder Rauch noch Dampf trüben die Aussicht; von den Ebenen der Sternseite weht ein Wind die Dämpfe fort. Aber es macht so oder so keinen Unterschied. Ich erkenne die verschiedenen Spitzen und Stätten schon an ihrem Umriss oder am Schein ihrer Feuer, die sich in den Farben deutlich unterscheiden.
Ganz links, dort mit dem hellen gelben Gasstrahl, liegt Greisenfried, die Behausung der Lady Zindevar. An der Helligkeit des Scheins kannst du erkennen, dass sie schwer am Schuften ist ...«
Nathan blickte ihn an. »An was ... schuftet diese Lady denn?« Er vermutete es schon, wollte jedoch eine Bestätigung erhalten.
»An ihren Tanks natürlich.« Nicolae warf ihm einen abfälligen Blick zu. »An der Wandlung von Menschenfleisch zu nicht-menschlichem Fleisch. An der Erschaffung von Ungeheuern – aus Menschen!«
»Krieger?«
»Krieger, Flieger, Kreaturen«, sagte der andere. »Die Wamphyri stellen eine Armee auf! Aber ... willst du nun etwas über Turgosheim erfahren oder nicht?«
Nathan nickte, und Nicolae setzte seine Erläuterungen fort. »Gleich neben Greisenfried, etwa eine Handbreit weiter südlich – so sieht es zumindest von hier aus –, steht dieser große schiefe Steinturm in einer eigenen Nische, der so aussieht, als hätte ein Kleinkind Schieferstücke aufeinandergestapelt. Das ist die finstere Vormspitze. Siehst du die fahlen Lichter, die wie Glühwürmchen aussehen oder wie das Sumpflicht über einer Leiche? Vormspitze ist die Feste von Lord Vormulac Ohneschlaf, der von allen Wamphyri vielleicht der Mächtigste ist. Der Turm ist jedoch stets nur schwach beleuchtet, er wirkt düster, und sein Vampirfürst ist trübsinnig gestimmt. Vormulac und Maglore sind ›befreundet‹ oder gehen jedenfalls so freundlich miteinander um, wie es den Wamphyri eben möglich ist.«
Nicolaes Arm wanderte weiter südlich. »Dort, wo die Nische sich über die hintere Wand nach Westen krümmt, die Reihe aus Höhlen, die wie die Augenhöhlen in einem verwitterten monströsen Schädel aus der Wand der hohlen Klippe selbst gemeißelt sind – das ist Hagerstatt. Ihre Lichter, Flammen und Rauchschwaden weisen samt und sonders einen dunkelvioletten Ton auf, der unter den Wamphyri als die Farbe der geschlechtlichen Hochleistung gilt. Dort herrscht Lord Grigor, auch besser bekannt als ›Grigor, der Lüstling‹. Er zählt zu den jüngeren Lords, und sein Beiname sagt eigentlich schon alles: Denn der Lüstling verbraucht die Tributweiber so rasch, wie er sie sich verschafft! In Hagerstatt sind junge Frauen schon in einer einzigen langen Nacht zu faltigen Greisinnen verrunzelt ...«
Und so ging es weiter, indem Nicolae auf die größeren Türme und Stätten zeigte, sie benannte und viele Merkmale ihrer Herren und Herrinnen erörterte. Seine Ausführungen umschlossen Zunspitze, Maskenstatt, Torstatt und viele weitere an der jenseitigen Wand, bis der Sichtwinkel zu spitz wurde. Dann spähte er in die Schlucht hinab, wo zahlreiche kleinere Türme und Anhöhen sich wie die Buckel von Wasserspeiern aus den unteren Bereichen Turgosheims erhoben. »Dort unten wohnen die Lords von niedrigerem Rang und gewisse Neuzugänge sowie andere, die nach Höherem streben. Doch selbst in den Tiefen sind einige Lords wohl angesehen und geachtet unter den Wamphyri; sie haben sich lediglich dazu entschlossen, aus eigenen Gründen dort unten zu leben. Zu ihnen gehört Lom der Halb-Starke, der Herr von Trollstatt. Das ist die viereckige niedrige Kuppe dort, auf deren Ecken Türme stehen und in deren Fenstern rote Laternen leuchten. Loms Beine sind zu kurz gewachsen, und unter den Wamphyri gilt er als Zwerg. Er meint, da er nun einmal nahe der Erde geboren wurde, gefällt es ihm, auch weiter in ihrer Nähe zu leben, und er straft die hoch aufragenden Nester der anderen mit Verachtung ... Nun gut.«
Nicolae Sehersknecht blinzelte zweimal und wandte seinen tierhaften Blick von der düsteren Schlucht Turgosheims wieder zu Nathan. »Da ist noch viel mehr, aber für den Augenblick reicht es.«
Nathan nickte und sagte: »Auch wenn du hier kaum mehr als ein
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