DÄMONENHASS
den Kiefern sprießende Elfenbein.
»Aber da mir kein Ort in ganz Runenstatt verboten ist«, stieß Nathan japsend hervor, »was konnte er mir schon sagen, was ich nicht selbst beizeiten entdeckt hätte?«
Langsam, ganz allmählich, wich die flammende Glut aus Maglores Blick. Eben noch hatte er gewaltig und machtvoll gewirkt, doch nun schien er zusammenzuschrumpfen und wirkte nur noch ... alt. Dann sagte er zu seinem unbotsamen Knecht: »Ah! Sieh nur, wie er für dich bittet, Nicolae. Doch wenn er an deiner Stelle wäre und ich dir die Erlaubnis gäbe, würdest du ihm im Handumdrehen das Blut aussaugen! Wie mächtig ist doch die Barmherzigkeit, nicht wahr? Ei, wenn ich nicht achtgebe, wird mir dieser Nathan noch ganz Runenstatt mit seiner einnehmenden Art abspenstig machen.«
Nicolae duckte sich an die Wand und nickte eifrig. »Oh ja, auf den muss man aufpassen, Herr, ganz gewiss!«
Maglore gab ein ersticktes Kichern von sich und richtete sich auf. »Oh, gewiss bin ich mir durchaus – aber du, Bursche, bist derjenige, den ich im Auge behalten werde! Jetzt pack dich, verräterischer Schleimer!«
Nicolae leckte sich die Lippen, schob sich an der Wand entlang und floh mit einem Aufheulen an Maglore vorbei aus der Küche. Seine eilig stolpernden Schritte entfernten sich durch die Gemächer seines Meisters und verhallten ...
Nathan ergriff die Gelegenheit und wiederholte seine Worte: »Ich meinte es nicht böse. Ich glaube auch nicht, dass Nicolae es böse meinte.«
Maglore nickte. »Was dich betrifft, bin ich’s zufrieden. Aber der andere – der ist ein Strolch! Dieses Mal habe ich zugelassen, dass du dich für ihn eingesetzt hast. Doch merke dir: Ich liebe derlei Einmischungen nicht. Und ich gebe dir den guten Rat, Nathan: Selbst einer, der mein ... Freund werden soll, sollte wissen, wann er behutsam auftreten muss.«
Nathan schwieg, und nach einer kleinen Pause fragte Maglore: »Hast du deine Erkundung von Runenstatt schon begonnen?«
»Die deiner Gemächer, ja.«
»Meiner Gemächer?« Maglore hob eine Augenbraue. »Nimmst du die Menschen stets bei ihrem Wort?«
Nathan zuckte die Achseln – wie er hoffte, nicht allzu nachlässig – und sagte: »Nur Lügner dürfen nicht bei ihrem Wort genommen werden, Herr.«
Maglore zwinkerte und nickte langsam, dann lachte er laut auf und schlug sich auf den Schenkel. »Oh ja! Das muss wohl zutreffen! Soso, eiei – und du bist also doch gut in Wortklaubereien! Wir werden prächtig miteinander zurechtkommen. Ich freue mich schon auf viele lange Gespräche mit dir, Nathan. Aber jetzt habe ich zu tun. Eines meiner Geschöpfe liegt verletzt in seinem Tank, und ich muss Reparaturen vornehmen, damit nicht eine Menge harter Arbeit verschwendet wird. Und so sage ich dir erneut: Geh und erforsche die Stätte oder suche dein Zimmer auf und ruhe dich aus, und wenn ich dich rufen lasse, kommst du zu mir. Doch wenn ich dich rufe – spute dich! Lass mich niemals warten, Nathan. Hast du nun alles verstanden?«
»Ja, Herr.«
Maglore wandte sich ab und fuhr sogleich wieder herum. »Vielleicht habe ich dich schon gewarnt, doch falls nicht, will ich es jetzt tun. Halte dich nach Möglichkeit von meinen Offizieren fern, denn sie sind Männer von geringer Langmut und harschem Gemüt! Oh ja, und auch meine Frauen musst du meiden – denn sie sind unaussprechlich langmütig und nur allzu sanft! Solange du meinen Worten und meinem Rat folgst, wird es dir gut gehen ...«
Runenstatt stellte eine sonderbare Mischung aus meist vulkanischen Gesteinen dar, deren äußere Umhüllung aus zu Granit verschmolzenem Quarz und Feldspat bestand. Viele Höhlungen waren auf natürliche Weise entstanden, als sich ausdehnende Gasblasen im Magma gefangen worden waren, während die Lava zu Felsen erkaltete. Doch an den Stellen, an denen sich weicherer Bimsstein im brodelnden Stein gebildet hatte, waren nun die Knechte des Seherlords eifrig am Werk und trieben ihre Tunnel in das Massiv hinein wie Maden, die einen Apfel aushöhlen.
Nathan entdeckte sein ›Zimmer‹. Tatsächlich war es eine kleine Gasblase oder Grotte, die direkt unter Maglores ausladenden Gemächern lag, jedoch außer der zentralen Treppe mit ihrem grässlichen Wächter keine Verbindung dazu hatte. Die Höhle lag am äußersten Ende eines aus dem porösen Bimsstein eines alten Lavaflusses herausgehauenen Flures, der von der großen Halle abzweigte. In jenem Flur lagen noch einige weitere Räume. Ihre niedrigen Bogeneingänge wiesen zwar
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