DÄMONENHASS
stehen blieb, um die Befehle ihres Herrn zu erwarten, wandte sie ihren Blick nicht von Maglore, und Nathan nahm daher an, dass sie es in Gegenwart des Vampir-Lords nicht wagte, ihn anzusehen.
»Orlea.« Maglore nahm ihre Anwesenheit mit einem Lächeln zur Kenntnis und deutete auf einen Platz an der Tafel. »Speise mit uns.« Als sie sich niederließ, sagte er: »Das ist Nathan. Du wirst ihn noch sehr gut kennenlernen. Er ist neu hier, und Runenstatt ist ihm fremd. Ich möchte, dass du ihm alle Räume und Stockwerke zeigst und ihm erklärst, welchem Zweck sie dienen. Kein Ort soll ihm verschlossen bleiben. Wie du wird er ein freier Mensch sein – innerhalb der von mir gesetzten Grenzen.«
Maglore legte einige Leckerbissen auf einen Teller und reichte ihn an sie weiter. Orlea warf einen Blick auf Nathan, in dem so etwas wie Neugier liegen mochte. Dann senkte sie den Blick und knabberte an ihrem Essen.
Nathan dachte sich, dass er genauso gut auch etwas Konversation betreiben könnte. »Trotz meiner Hautfarbe«, richtet er das Wort an Orlea, »bin ich ein Szgany. Allerdings kam ich aus dem Westen aus dem Land hinter der Großen Roten Wüste.« Vielleicht vermuteten sie und Maglore dann, dass es in jenen fernen Gegenden noch andere abweichende Pigmentierungen gab. So oder so, er wollte ja nur ein Gespräch beginnen.
Sie blickte Maglore Erlaubnis heischend an, und dieser nickte. Indem sie sich leicht zu Nathan wandte, fragte sie: »Wie steht es dieser Tage auf der Sonnseite?« Ihre Stimme klang sanft und angenehm, allerdings lag keinerlei Betonung darin. Noch nicht einmal ein Lächeln verriet, was in ihr vorging. Tatsächlich schien sie bar aller Gefühle zu sein. Das konnte Nathan gut verstehen.
»Auf meiner Sonnseite im Westen oder auf deiner?«
»Auf meiner«, gab sie zur Antwort.
»Vermisst du sie?« Möglicherweise ging er damit ein Wagnis ein. Vielleicht ergriff sie aber auch die Gelegenheit und würde ihm wahrheitsgemäß antworten. Doch das tat sie nicht, zumindest hatte Nathan nicht diesen Eindruck.
»Nein«, sagte sie. »Mein Leben dort war beschwerlich.«
»Warum erkundigst du dich dann danach?«
Hier fiel Maglore ihnen ins Wort. »Gut so! Ihr werdet euch unterhalten und Gemeinsamkeiten zwischen euch feststellen. Doch argwöhne ich, dass meine Anwesenheit euch hemmt. Ich habe ohnehin anderweitig zu tun. Orlea, zuerst will ich mit dir sprechen ...« Er stand auf und entfernte sich ein wenig. Sie trat zu ihm und sie sprachen eine Zeit lang mit gedämpften Stimmen. Schließlich ließ Maglore die beiden allein und wandte sich seinen Angelegenheiten zu.
Als sie ihre Mahlzeit beendet hatten, blickte Nathan auf die ausgebreitete Tafel. »Und was ist damit?«
»So wie du und ich hier unsere Pflichten haben, so haben andere die ihren«, gab Orlea ihm zur Antwort. Sie zeigte auf den Tisch. »Man wird sich um alles kümmern. Doch für den Augenblick hat Maglore mir die Aufgabe erteilt, dir Runenstatt zu zeigen, und dir erteilte er den Auftrag, gut aufzupassen und dir zu merken, was du siehst. Das dürfte nicht allzu schwierig werden – ich weiß, dass du dich daran erinnern wirst. Zu meiner Zeit habe ich mich auch an alles erinnert. Eigentlich kann ich es seither nicht mehr vergessen.«
Er folgte ihr in einen Raum mit einem Treppenaufgang, über den sie bis zum höchsten Stockwerk von Runenstatt kletterten. »Der höchste Spitzturm des Horstes«, informierte sie ihn, ohne zurückzublicken. »Wir werden hier anfangen und uns nach unten durcharbeiten.«
»Warum hast du dich nach der Sonnseite erkundigt?«, fragte Nathan neugierig.
»Weil du Konversation betrieben hast«, erwiderte sie. »Hätte ich nicht geantwortet, hätte Maglore mich dazu gezwungen. Er bewundert es, dass Personen wie du und ich höflich zueinander sind. Es gefällt ihm, dass wir innerhalb der von ihm gesetzten Grenzen die Herren über unseren Körper und unseren Geist sind und dass wir uns mäßigen und einander auf gefühlsmäßiger Ebene gleichgestellt sind – im Unterschied zu den Vampiren, denen mächtige fremdartige Triebe gebieten, sich bei jeder Gelegenheit zu streiten und im Kampf zu messen, oft nur um des Kampfes willen!«
»Ist das der einzige Grund?« Sie hatten das oberste Stockwerk erreicht.
»Nein, denn ich dachte daran, mich nach ... den Kindern zu erkundigen.« Sie blieb stehen, damit er zu ihr aufschließen konnte.
»Die Kinder?«
»Ich hatte ein schweres Leben auf der Sonnseite«, sagte sie, »aber ich erinnere mich
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