DÄMONENHASS
an die Kleinen. Sie waren süß, rein und unschuldig.«
Nathan zuckte die Achseln. »Das trifft auf alles zu, was jung ist.«
»Oh nein!«, entgegnete sie und erschauerte leicht. »Die Jungen der Wamphyri sind nichts dergleichen ...«
»Gibt es hier Junge?«
»In Runenstatt? Nein. Maglore kann sie nicht ausstehen. Aber als ich ihn einmal um ein Kind bat, zeigte er mir die Kinderstätten der Wamphyri. Die Kinder der Sonnseite trinken Milch von ihren Müttern oder Ammen, aber in Turgosheim ... geben sie sich damit nicht zufrieden. Falls Maglore sichergehen könnte, etwas anderes als einen Vampir zu zeugen, dann würde er mir auch ein Kind schenken, aber bis es so weit ist, will er mich nicht um eines jungen ›Emporkömmlings‹ willen verderben!«
»Du hast Maglore um ein Kind gebeten?« Nathan konnte es nicht glauben. »Meinst du damit ... dass du sein Kind bekommen wolltest?«
»Ja«, erwiderte sie und ging ihm durch ein Gewirr aus leeren Zimmern voran, bis sie eines mit einem Fenster und einer durch einen Vorhang abgesonderten Nische erreichten. Dort sah sie Nathan zum ersten Mal ins Gesicht. Ihr Kinn war erhoben und ihr Blick trotzig. »Du weißt nicht, wie jung Maglore sein kann. Du bist keine Frau. Du hast keine Ahnung, was es heißt, bei einem Vampir-Lord zu liegen. Du machst dir über das Wort ›Erfüllung‹ keinen Begriff.«
»Nein«, erwiderte Nathan und wich vor ihr zurück. »Aber ich habe gesehen, was übrig bleibt, nachdem Frauen ... erfüllt worden sind! Wenn sie nicht tot sind, sind sie dem Verderben geweiht!«
Sie nickte und sah beiseite. »Ja, du hast recht. Aber bei mir ... ist Maglore behutsam und sanft gewesen. Er hat mich nicht verwandelt. Oder falls doch, dann nur auf die Weise, dass ich ihn hasste und jetzt liebe. Eine Frau kann einem Mann auf mehr als nur eine Weise hörig sein.«
»Du liebst ihn tatsächlich?« Es erschien ihm unmöglich.
»Ich liebe Maglore! «, sagte sie scharf. »Weder seine Werke noch das Ding in ihm, sondern ihn selbst! «
Nathan war dies unbegreiflich. Er schüttelte den Kopf, und einen Moment lang fehlten ihm die Worte. Dann sagte er: »Aber gewiss macht ihn doch sein Vampir zu dem, was er ist?«
»Ebendies ist der Widerspruch«, versetzte sie, »der mich wie verrotteten Stoff zu zerreißen droht. Ich hasse dieses Wesen in Maglore ebenso sehr, wie ich seinen Wirt liebe! Und ich bin eifersüchtig darauf und hasse es, weil es ihn mit mir teilt. Außerdem teilt es mich mit ihm! Aber wenn er mir in Gestalt eines jungen Mannes beiwohnt, kann ich nicht anders, als ihn zu lieben!«
Nathan war bis an die verhangene Nische zurückgewichen. Orlea war ihm gefolgt und stand nun mit einer Hand auf dem Vorhangseil dicht vor ihm, als er sagte: »Ich denke ... du tust mir leid!« Er sprach, ohne über seine Worte nachzudenken, vielleicht auch, ohne sich überhaupt im Klaren darüber zu sein, was er da sagte, denn er hatte keine Ahnung, wie ihr Leben vor ihrem Einzug in Runenstatt gewesen war. Er verlieh lediglich seinem Grauen Ausdruck. Aber was Orlea auch verloren haben mochte – ihren Stolz besaß sie noch. Ihre dunklen Augen blitzten, als sie sagte:
»Spare dir dein Mitleid für dich selbst auf, Nathan, denn du hast von Runenstatt wahrlich noch nichts gesehen.« Mit diesen Worten zog sie an dem Seil. Die Vorhänge glitten zur Seite, und Nathan erblickte ... Maglores Leitungswart. Zuerst begriff er nicht, was er da sah, doch dann stellte sich die Erkenntnis ein, und er wich taumelnd und mit einem Ausdruck des Entsetzens zurück.
»Du siehst«, sagte sie, ließ die Vorhänge zurückgleiten, folgte ihm und nahm seinen Arm, um ihn zu stützen, »es gibt Zeiten, da es nützlich ist, jemanden zu haben, den man lieben und an dem man sich an einem Ort wie diesem festhalten kann. Oh ja, selbst an einem Wesen wie Maglore.« Als Nathan in ihre Augen sah, entdeckte er nichts von dem tierischen Gelb, das die Verschlagenheit eines Knechts bezeichnete, oder von dem blutigen Rot der brodelnden Wamphyri-Leidenschaften. Aber vielleicht erblickte er in ihnen etwas von der Leere, die mit dem Wahnsinn einhergeht ...
Als Nächstes zeigte Orlea Nathan Maglores Arbeits- oder vielmehr Meditationszimmer, zu dem nur einige vertrauenswürdige Knechte Zugang hatten. Sofort wurde sein Blick von einem schweren goldenen Modell des Wahrzeichens des Seher-Lords angezogen, das auf einem schlanken Onyxfundament ruhte. Er fragte sich, wozu es diente. Aber vielleicht war es auch nur ein
Weitere Kostenlose Bücher