DÄMONENHASS
Schmuckstück. Und während langer Stunden saß er vor einem wunderbar gefertigten Modell von Turgosheim und nahm in sich auf, was Orlea ihm über die Vampirschlucht berichtete. Das war sehr viel mehr, als er von Nicolae Sehersknecht erfahren hatte, und trug viel dazu bei, seine Kenntnisse über die Geografie des Ortes und die Geschichte seiner Bewohner zu vervollständigen. Mehr als zwei Drittel des Sonnunters waren verstrichen, bis sie dort fertig waren.
»Bist du müde?«, fragte sie. »Oder sollen wir weitermachen?«
»Ich weiß nicht genau, ob ich müde bin«, antwortete Nathan aufrichtig. »Es gibt so vieles zu sehen und zu lernen. Und was ich bereits gesehen habe, wird mich sicher wach halten. Jedenfalls muss ich an Körper und Geist gleichermaßen erschöpft sein, um anständig schlafen zu können.« In seinem Innersten wusste er jedoch, dass er wirklich schlafen und dazu künftig jedwede Gelegenheit ergreifen sollte. Denn wenn er es sich je gestatten sollte, übermüdet zu sein, würde er seine Wachsamkeit einbüßen. Seine geheimen Kräfte mussten verborgen bleiben; sein Wissen um die Thyre und ihre Stätten in der Wüste war ein Geheimnis, das er niemals aufdecken durfte. Er musste sich etwas über die Lage und das Leben auf der Alten Sonnseite im Westen ausdenken, von der er sich so weit entfernt hatte, was er Maglore erzählen konnte. Denn irgendwann würde Maglore etwas darüber wissen wollen, dessen war er sich sicher.
»Jetzt wäre eine gute Schlafenszeit«, meine Orlea, als läse sie seine Gedanken – was jedoch gewiss nicht der Fall war, da er seinen Geist sorgsam abgeschirmt und in ihr keine telepathischen Kräfte gespürt hatte. »Zeit für den tiefen Schlaf, den du nötig hast, wenn du in Runenstatt bei Kräften bleiben willst. Hier saugt dir die Angst sämtliche Kraft aus. Das geht jedem so, nur nicht Maglore. Die Nerven sind bis zum Zerreißen gespannt, Atem und Herzschlag gehen unregelmäßig, der Wille verdorrt zu einer bloßen Hülle, während Maglores Wille nur noch stärker wird. Denn Vampire saugen nicht nur Blut, Nathan. Sie saugen alles aus dir heraus.«
Er folgte ihr zurück in den großen Saal, in dem kaum noch Betrieb herrschte. Allerdings hielten sich dort noch einige Sklavinnen auf, und zwei oder drei waren in eine verstohlene Unterhaltung vertieft. Als sie Nathan und Orlea zusammen erblickten, verstummten sie mit finsteren Mienen; offenbar waren sie enttäuscht. Als er sich in sein Zimmer begeben wollte, nahm Orlea ihn am Ellbogen und führte ihn in eine andere Richtung auf einen aus Bimsstein gehauenen Gang zu.
»Wohin gehen wir?«, wollte Nathan wissen.
»An einen Ort, wo diese Frauen dich nicht belästigen werden«, erklärte sie. »Denn mich fürchten sie fast ebenso sehr wie Maglore.«
»Und wo hält sich der Seher-Lord jetzt auf?« Er fühlte sich unbehaglich, war sich jedoch nicht ganz sicher, warum er das wissen wollte.
»Er schläft«, gab sie zur Antwort. »Er hat seine festen Gewohnheiten. Um diese Zeit pflegt er immer zu ruhen. Bei Sonnauf wird er sich von seinem Lager erheben und dann in den Werkstätten in den unteren Stockwerken arbeiten. Die meisten anderen Lords arbeiten nur bei Nacht und verkriechen sich im Dunkeln, wenn die Sonne hoch über der Sonnseite steht. Maglore jedoch hat seine Schlafenszeiten gleichmäßig zwischen Tag und Nacht aufgeteilt.«
Sie erreichten die Außenwand, in der ein schmales Fenster den Blick in nordöstliche Richtung freigab. Um einen ummauerten Mittelkern führte eine steinerne Wendeltreppe in eine kleinere Zugangshalle, von der mehrere Gänge abzweigten. Sie führte ihn durch einen dieser Gänge zu einem mit einer Tür versehenen Zimmer, das Nathans Unterkunft glich. Es war Orleas Gemach, aber innen hatte die Tür einen Riegel. Das war nicht der einzige Unterschied, denn ihr Zimmer war mit allem bestens ausgestattet. Sie hatte ein Bad, Möbel, Pelzvorleger, mit Troddeln versehene Vorhänge an einem kleinen, durch die Wand getriebenen Fenster, und an ihrem Bett hingen an Schienen zwischen den Eckpfosten durchsichtige Vorhänge bis zum Boden herab.
Gelbe Flammen leuchteten aus mehreren Gasauslässen. Sie ging durchs Zimmer und verstopfte die Auslässe mit knöchernen Stöpseln, bis das Licht zu einem rauchigen Dämmerschein geworden war. Als Nathans Fantasie schon Purzelbäume zu schlagen begann, sagte sie: »Hier wird dich niemand belästigen. Hier kannst du unbesorgt schlafen.«
Er zog sich zur Tür zurück. »Orlea, ich
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