DÄMONENHASS
Halsröhre nach oben kroch. Er erbrach das Ding – eine helle Kugel, die nicht größer war als ein Augapfel.
Sie glänzte und wimmelte von winzigen, flimmernden Fäden. In einem Speichelbatzen fiel sie auf Turgos offene Brust. Dort wurde sie dunkelrot .. und verschwand in ihm, als würde sie aufgesogen!
Taumelnd richtete Shaitan sich auf. Ihm war schwindlig und übel. Instinktiv erkannte er, dass, was auch immer hier passiert war, so unumkehrbar war wie das Einatmen der Sumpfsporen. Was ihm als Grund ausreichte, dem Geschehen bis zum Ende beizuwohnen. Er ließ Turgo mit offener, blutiger Brust bewusstlos liegen, und das rote Vampirei grub sich tief in ihn und verbarg sich in seinem Körper ...
Turgo Zolte erholte sich. Sein aufgerissenes Fleisch heilte rasch. Er war ein Wamphyri!
Und er hasste Shaitan, wie kein Wesen jemals gehasst wurde. Shaitan wusste das und sagte manchmal zu ihm: »Aber du bist doch mein Sohn – mein wirklicher Sohn. Deshalb nenne ich dich nun Shaithar Shaitansohn. Du bist kein elendes Troggezücht, von dem ich viele Exemplare erschaffen und wieder abgetan habe, sondern Wamphyri! Oh, du hattest vor mir schon einen Vater, aber er machte dich sterblich. Ich dagegen habe dich unsterblich gemacht. Warum verabscheust du mich also?«
»Ich war, der ich eben war«, knurrte Turgo, während er in seinen Silberketten im Kerker hing. »Und das war mir lieber. Du hast mich zu etwas anderem gemacht ...«
»Zu viel mehr!«
»... und es widert mich an. Ich spucke auf deinen Namen und nehme ihn nicht an! Außerdem werde ich kein Menschenblut trinken.«
»Oh das wirst du schon noch, oder du wirst verdorren und sterben. Das Blut ist das Leben.«
»Nicht meins.«
»Narr!«
»Auswurf blutsaugender Flederratten!«
Und jedes Mal geriet Shaitan in Zorn. Aber er konnte ihn nicht töten. Denn in gewisser Hinsicht war Turgo tatsächlich sein Sohn.
Am Ende ließ er ihn frei, schickte ihn weg und verbannte ihn aus Shaitanshöhe. Nicht ins Nordland, denn er wollte beobachten, was aus ihm wurde. Darum schickte er ihn nur auf die Sternseite hinaus, damit er sich seinen Platz in der Welt suchen musste.
Turgo ging auf die Sonnseite, doch dort konnte er nicht bleiben. Die Szgany verfolgten ihn, und die Sonne stellte eine Gefahr für ihn dar. Sein heranreifender Vampir zupfte an seinem Willen – wenn er bleiben wollte, musste er töten. Er tötete auch – allerdings nur Tiere, um von ihrem Blut zu leben. Schließlich suchte er nach Menschen, die in den Sümpfen mit dem Vampirkeim verseucht worden waren, scharte sie um sich, kehrte zur Sternseite zurück und stellte eine Armee aus Trogknechten auf. Und nach dreißig Jahren hatte er Shaitharsheim erbaut, das weit vom Horst seines sogenannten ›Vaters‹ lag. Letztlich nahm Turgo doch den Namen seines Erzfeindes an und nannte sich Shaithar Shaitansohn ... auf dass ihm sein ›Vater‹ besser im Gedächtnis blieb und er ihn umso besser hassen konnte.
Mittlerweile war Shaitans Haus vollendet und mit allem versehen. Ein Banner mit dem Zeichen des gehörnten Totenschädels flatterte von den Brüstungen seines Horstes, und beiderseits des Gebirges war er als Lord Shaitan von den Wamphyri bekannt. Das schmeichelte ihm sehr.
Turgo war noch immer ein rangniedriger Lord und litt häufig unter Albträumen. Eines Nachts träumte er, dass er Szgany-Blut trank, und als er erwachte, war es wahr geworden. In der Nacht hatte er von seiner Odaliske getrunken, einem Mädchen, das er einem Szgany-Stamm geraubt hatte. Er konnte es nicht länger leugnen: Er war ein Wamphyri! Und weil er Shaitan die Schuld gab und ihn nur noch mehr verabscheute, ersann er sich ein eigenes Wappen: Shaitans gehörnten Totenschädel – der von einer silbernen Axt in zwei Hälften gespalten wurde!
Shaitan sah, wie sehr er verhasst war, und züchtete weitere und bessere Krieger. Auch Turgo züchtete Krieger, um sich den Rücken zu decken. Unterdessen kamen immer mehr Menschen aus den Vampirsümpfen herbeigetorkelt und erbauten sich ihre Horste in den Felstürmen. Damit hatten sie viel zu tun und daher wenig Zeit für Kriege.
Wie im Flug verstrichen zweihundert Jahre, und die Wamphyri waren groß an Macht und Zahl geworden. Zu groß ...
Auf der Sonnseite hatten sich die Szgany mittlerweile zu Nomaden, zum Wandernden Volk entwickelt. Zu Zigeunern, die tagsüber von Ort zu Ort zogen und nachts tief in den Wäldern oder in Höhlen schliefen. Für sie war es so schlimm oder noch schlimmer als nach der
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