Dämonenherz
hat.«
Es sollte ein Scherz sein, aber Henry dachte ernsthaft darüber nach. Schließlich, als sie schon damit rechnete, gar keine Antwort zu bekommen, erwachte er aus seinen Überlegungen.
»Sie hatte nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages den Großwesir Ahmed zu Gast. Aber ich weiß nicht mehr, ob wir damals schon Kaffee getrunken haben.«
»Schon gut«, antwortete Anna und stolperte die Stufen hinunter. »Schon gut.«
Anna hatte das Haus verlassen. Hinter der Baronesse von Hohengarden öffnete sich eine Tapetentür, und Carl Weller trat heraus. Er sagte nichts, ging nur ans Fenster und schaute hinunter auf die Straße, die Anna entlanglief. Schließlich, als sie um die nächste Ecke verschwunden war, drehte er sich um. Die Baronesse saß immer noch in ihrem Sessel. Doch ihr gütiges Lächeln war einem ernsten Blick gewichen.
»Carl Weller. Was hast du da nur angerichtet?«
»Ich?« Weller trat vom Fenster zurück. »Sie ist in mein Leben gestürmt. Ich habe nicht nach ihr gesucht. Im Gegenteil: Ich war fertig mit allem. Ich wollte nicht mehr.«
»Und jetzt hast du deine Meinung geändert?«
»Sie ist genau das, was die Elemente wollen.«
»Ist es auch das, was du willst?«
Weller kam in den Erker und setzte sich auf den Sessel, auf demeben noch Anna gesessen hatte. Die Baronesse hob die Kaffeekanne, aber er lehnte mit einem kurzen Kopfschütteln ab.
»Ich weiß nicht, was ich will.«
Mit einem leisen Stöhnen lehnte er sich zurück und schloss die Augen.
»Ich wollte aufhören. Ich habe alles erreicht, was ein Mensch erreichen kann. Ich wollte meinen Vertrag erfüllen.«
»Und was hält dich davon ab?«
»Anna. Plötzlich war sie da. Es war, als ob alle Lebensgeis ter wieder erwacht wären. Als ob das Leben plötzlich wieder Spaß machen würde. Mit ihr könnte es tatsächlich gelingen.«
»Du hast sie als deine Amazone rekrutiert.«
»Genau.«
Weller griff sich an seine Brust. Die Baronesse hatte seine Bewegung mit Sorge registriert.
»Dein Herz?«
»Ja.«
»Warst du bei Summers?«
»Er hat mir Medikamente gegeben. Aber lange werden sie nicht helfen. Mein Herz schlägt wieder, Baronesse. Es ist ein Gefühl, das ich schon fast vergessen hatte und das Sehnsüchte in mir weckt. Ich will wieder sterblich sein. Und ich will Anna nicht verlieren.«
»Das geht nicht.«
»Natürlich geht das nicht.« Weller setzte sich auf. »Niemand, der einmal den Vertrag unterschrieben hat, kann das wieder rückgängig machen. Aber jetzt will ich Anna wenigstens aus allem heraushalten.«
»Unmöglich. Sie weiß schon zu viel.«
»Ich will nicht, dass sie für mich stirbt!«
»Carl.« Die Hand der Baronesse legte sich auf Wellers Knie. »Alles geht seinen Gang, so wie es seit Jahrtausenden geschrieben steht.«
Wellers Gesicht verdüsterte sich. »Das habe ich schon zwei Malgeglaubt. Und beide Male hat es die Amazone das Leben gekostet.«
»Gib dir nicht immer noch die Schuld daran.«
Weller nickte, allerdings nicht sehr überzeugt.
»Sie haben dich getäuscht«, fuhr die Baronesse fort. »Sie spielten dir die große Liebe vor, doch in Wirklichkeit wollten sie nur dasselbe wie wir alle: unendliche Macht.«
»Sie nicht, Baronesse.«
»Oh doch.« Die alte Frau lächelte. »Wir sind alle Egoisten. Auch wenn es bei mir nicht in erster Linie um ewige Jugend ging, wie du vielleicht bemerkt haben dürftest.«
Weller hob die Augen und sah sie an. Er hatte die Baronesse immer geschätzt. Sie war seine wichtigste Vertraute, die Ratgeberin in allen Fragen, die dieses Dasein stellte. Vor langer Zeit hatte sie ihm einmal erzählt, wie sie in die Reihen der Unsterblichen getreten war. Erst im hohen Alter war sie der Liebe ihres Lebens begegnet. Beide wussten, dass ihnen nicht mehr viel Zeit gegeben war. Die Baronesse wollte das nicht akzeptieren und suchte den Kontakt zu den dunklen Mächten. Doch die Zeit zurückdrehen konnte sie nicht mehr – niemand durfte das, niemand konnte das. So war sie hochbetagt unsterblich geworden. Und ihre große Liebe war wenig später in ihren Armen gestorben.
Sie sprach nicht oft darüber. Kein leichtes Los, wie sie ihm einmal versichert hatte, denn ewiges Rheuma konnte schon zur Qual werden.
»Du, Carl, hast das Leben deines Bruders gerettet. Er hat es dir etwas anders gedankt, als du es vielleicht gewollt hast. Aber gerade weil du nicht aus Gier, sondern aus Nächstenliebe unsterblich wurdest, bist du nun am Ende deiner Reise angelangt. Jetzt musst du aufhören – oder
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