Dämonenherz
gewarnt zu sein. Die Tiere konnten sehr ungemütlich werden.«
»Auch keine Gänse.«
»Dann bin ich mit meinem Latein am Ende. Was für Tiere haben Sie denn nun?«
»Skorpione.«
Anna verschluckte sich an ihren weißen Bohnen. Sie hustete und rang nach Luft, bis ihr die Tränen in den Augen standen.
Wellerund Friedrich Sternberg sprangen auf, um ihr zu helfen, aber sie winkte ab.
»Skorpione.« Ihre Stimme klang immer noch etwas rau. Sie griff nach einem Glas Wasser, das sie sich vorsorglich eingeschenkt hatte, als ihr Vater sich mit seiner Teekanne genähert hatte.
»Für was in aller Welt braucht man die denn?«
Sie erinnerte sich an das Symbol, das auf dem Ledereinband der Mappe geprägt war. Und an il scorpio, Guyots Bemerkung, die ihr bis zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht klar war. Genauso wenig wie das Schicksal des scheintoten Fotografen.
Die Kamera lag immer noch, in einen Pullover eingewickelt, in ihrer Reisetasche. Sie hatte sie hastig und ohne allzu viel Nachdenken gepackt, getrieben von dem brennenden Wunsch, an den einzigen Ort zu gelangen, den Weller wohl nicht aufsuchen würde. Und jetzt saß er ihr gegenüber und ließ sich Bohneneintopf aus der Dose schmecken, den ihr Vater noch nicht einmal richtig erwärmt hatte. Eines musste man ihm lassen: Wenn es darauf ankam, schien Weller hart im Nehmen zu sein.
»Wie ich schon sagte: zum Schutz.«
Weller war fertig mit dem Essen. Er schob den Teller ein wenig von sich, faltete die Serviette zusammen und legte sie ordentlich daneben. Sein Gesicht verschloss sich, er wollte nicht, dass weiter nachgefragt wurde. Annas Vater verstand und wechselte das Thema.
»Wir hatten mal einen Hund. Schippuh. Erinnerst du dich?«
Anna nickte. »Ein Schäferhundmischling. Schäferhunde waren eine Zeitlang sehr beliebt. Spitze auch, und Möpse. Ja.«
»Mischlinge sind sehr freundliche Wesen«, spann ihr Vater den Faden weiter. »Gibt es auch bei Skorpionen unterschiedliche Rassen? Freundliche vielleicht?«
»Nicht sehr viele«, antwortete Weller in bedauerndem Ton. »Man muss sie leider mit ungewöhnlichen Methoden abrichten.«
»Abrichten.«
FriedrichSternberg schien Wellers Hobby nicht die größte Sympathie entgegenzubringen, doch er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.
Anna stand auf und räumte die Teller ab. Dann nahm sie vier Glasschälchen aus dem Hängeschrank und stellte sie auf den Tisch.
»Wo ist denn der Nachtisch?«
Suchend sah sie sich um. Obwohl in der Küche wie auch im ganzen Haus noch eine vage Zuordnung bestand – Töpfe in der Küche, Kissen im Bett und nicht umgekehrt –, fehlte doch immer wieder die aufräumende Hand. Ihr Vater schlug sich erschrocken vor die Stirn.
»Das habe ich ganz vergessen. Im Keller bei den Einmachgläsern! Ich hole ihn.«
»Kommt nicht in Frage.«
Anna war schon fast zur Tür hinaus. »Das erledige ich. Mach du doch für unseren Gast schon einmal einen Tee. Deine Spezialmischung. Herr Weller ist ja ganz verrückt danach.«
Weller sah aus, als wollte er etwas sagen, doch Anna ließ ihn nicht zu Wort kommen.
»Schließlich wird nicht nur gegessen, sondern auch getrunken, was auf den Tisch kommt.«
Sie war schon im Flur, als sie sich ein leises Kichern erlaubte. Bei den Sternbergs ging es eben anders zu als in den Grand Hotels und in der First Class internationaler Fluggesellschaften. Im Vorübergehen sah sie Jean-Baptiste im Wohnzimmer, der sich mit steifem Rücken auf die Vorderkante des Sofas gesetzt hatte, dass es alles andere als bequem aussah. Warte nur, bis der Tee kommt. Selbst die Rache schmeckt bei uns nur süß, wenn man eine Menge Zucker dazutut.
Sie öffnete die Kellertür und stieg vorsichtig die schmalen Stufen hinunter. Von oben drang genug Licht herein, um den Weg hinab zu beleuchten. Als sie am Fuß der Treppe angekommen war, tastete sie nach dem altmodischen Kippschalter und legte ihn um.
Einenackte Glühbirne flackerte auf und beleuchtete einen schmalen Raum. Das klitzekleine Fenster an der Stirnseite war fast blind von Staub und Dreck. Spinnenfäden hingen in den Ecken. Als Annas Blick nach oben führte und sie die Decke sah, erfasste sie ein eisiger Schreck. Tiefe Risse zogen sich quer durch den Verputz. Auch die Wände zeigten Schäden und Setzrisse. Vorsichtig tastete sie sich bis zu dem hohen Holzregal und versuchte zu erkennen, in welchen Einmachgläsern so etwas Ähnliches wie genießbares Kompott sein könnte.
Anna befand sich direkt unter der Küche. Sie konnte
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