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Dämonenherz

Dämonenherz

Titel: Dämonenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Talbot
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vielen Geheimnissen ihrer Kindheit durchaus auch noch ein weiteres bewahren konnte. Sein warmer Atem streifte ihr Gesicht, und sie schloss die Augen in der sicheren Erwartung, dass er sie jetzt, gleich, sofort küssen würde, und dass sie sich nach diesem Kuss sehnte, wie sie noch nie etwas herbeigesehnt hatte.
    »Der Tee ist fertig!«
    Erschrocken fuhr Anna zurück.
    »Und die Leiter ist wieder ganz! Wie haben Sie denn das zustande gebracht? Ich wollte Ihnen gerade ein paar Nägel bringen! – Hallo?«
    Ganz langsam öffnete Anna die Augen und sah in Wellers mindestens ebenso überraschtes Gesicht, auf dem sich nun ein Lächeln ausbreitete, das in Sekunden zu einem unverschämten Grinsen wurde.
    Anna kroch an den Bretterrand. Tatsächlich: Ihr Vater stand unter dem Baum, in der einen Hand die Kanne mit dem Unvermeidlichen, in der anderen zwei Becher, und blickte suchend hinauf zum Baumhaus. Als er seine Tochter entdeckte, nickte er ihr zu.
    »Ach, da bist du ja! Ist dein Besuch noch da?«
    Hinter ihr tauchte Weller auf.
    »Eine anständige Arbeit«, rief ihr Vater. »Herzlichen Dank!«
    »Gern geschehen.« Er wandte sich an Anna. »Wenigstens einer in dieser Familie, der meine handwerklichen Fähigkeiten zu schätzen weiß.«
    Dabeistrich er ihr so, dass ihr Vater es von unten nicht sehen konnte, über den Rücken und die Hüfte. Noch bevor seine Hand ihren Po erreichen konnte, stand sie auf.
    »Nichts gegen Handarbeit«, erwiderte sie. »Aber ich bin aus etwas anderem Holz geschnitzt.«
    Er stand auf und stellte sich neben sie. Wieder wurde ihr bewusst, wie sehr sie seine Nähe verwirrte.
    »Stimmt. Ich erinnere mich. Gedichte. Rosen. Und … war da nicht noch was mit Blümchen?«
    Er griff mit der einen Hand nach dem Ast und reichte die andere Anna.
    »Du zuerst.«
    Sie nahm seine Hand und schaffte erstaunlicherweise den Schritt über den Abgrund zur Leiter. Dann kletterte sie hinunter und stand direkt vor ihrem Vater, der Annas Kletterkünste mit erstaunten Blicken verfolgt hatte.
    »Was wolltest du denn da oben? Das ist doch gefährlich. Ich hätte das Baumhaus schon längst abreißen müssen.«
    Bei seinen Worten fiel Anna wieder ein, dass ringsumher das Thema Abreißen bereits weit über das Theoretische hinaus fortgeschritten war. Sie nahm ihrem Vater die Kanne ab und fasste ihn sanft am Arm. Dann zog sie ihn in Richtung Haus, ohne Weller auch nur eines Blickes zu würdigen.
    »Was ist hier los?«, fragte sie leise.
    »Was meinst du damit?«
    »Die Siedlung ist praktisch aufgegeben. Ringsumher fangen schon die Abrissarbeiten an. Was hast du mir verschwiegen?«
    Die hellen Augen ihres Vaters mieden ihren Blick. Er verlangsamte den Schritt, bis er schließlich in der Mitte der Wiese stehen blieb und sich umsah.
    »Es ist doch alles in Ordnung hier, oder? Ich muss das Gras mähen.«
    »Papa! Nichts ist in Ordnung! Du kannst doch nicht erwarten, dass man einen Supermarkt um dich herum baut! Du bist doch nicht Asterix in einem gallischen Dorf!«
    »Asterix?«
    Ihr Vater sah sie derart ratlos an, dass Anna beschloss, ihn zu einem anderen Zeitpunkt darauf anzusprechen. Weller war mit etwas Abstand hinter ihnen hergeschlendert und erreichte sie nun. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr und seufzte bedauernd.
    »Ich fürchte, ich muss Sie verlassen.«
    Friedrich Sternberg spürte instinktiv, dass Anna weitere bohrende Fragen in dem Moment stellen würde, in dem Weller das Haus verließ. Er schüttelte den Kopf.
    »Das kommt gar nicht in Frage. Annas Freunde sind auch meine Freunde. Sie bleiben zum Abendessen.«
    Anna öffnete den Mund, um gegen zwei Dinge zu protestieren: Dieser Mann war nicht ihr Freund, und zum Abendessen hatte er schon gar nicht zu bleiben. Doch Weller kam ihr zuvor.
    »Nun, wenn Ihre Tochter sich entscheiden könnte, mir die eine oder andere Arbeit abzunehmen, stünde ich auch nicht so unter Zeitdruck.«
    »Dass ist doch …« Annas Ansatz von Protest wurde noch im Keim von Weller unterbunden.
    »Dann könnte ich auch Ihre reizende Einladung annehmen.«
    Friedrich Sternberg wandte sich an seine Tochter.
    »Ich glaube, ich lasse euch kurz allein. Essen gibt es in einer halben Stunde.« Er wandte sich zum Gehen, drehte sich allerdings noch einmal um. »Ich decke für drei!«
    Anna starrte ihm wütend hinterher. Dann stellte sie die Teekanne so energisch auf den Gartentisch, dass der Deckel klapperte.
    »Wenn Sie … Wenn du glaubst, du schaffst es über meinen Vater, hast du dich

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