Dämonenherz
»Das war unsere gemeinsame Existenz. Du hast sie aufgekündigt.«
»Das ist nicht wahr!«
»Du hast mir quasi einen Tritt in den Hintern verpasst und bist unter Carl Wellers Bettdecke gekrochen. Als persönliche Assistentin. Oder wie auch immer du das nennen magst. Dann ist es doch wohl recht und billig, wenn ich mich auch nach etwas anderem umsehe.«
Anna biss sich auf die Lippen. Vicky hatte recht. Sie hatte sich ihrer Freundin gegenüber nicht sehr rücksichtsvoll verhalten.
»Es tut mir leid, wenn ich dich überfahren habe.«
»Das hast du nicht.« Vicky stand wieder auf. »Ich hätte nur nicht geglaubt, dass Carl Wellers Charakter so schnell auf dich abfärbt.«
»Aber … das tut er doch nicht!«
»Und wie nennst du das, was du in den letzten Tagen veranstaltet hast?«
Hilflos hob Anna die Hände. »Ich habe nur einen Job angenommen.«
»Herzlichen Glückwunsch. Und damit unsere Zusammenarbeit beendet.«
Vicky nahm ihre Handtasche und klemmte sie sich unter den Arm. »Aber stell dir mal vor, die kleine doofe Vicky hat auch ein Angebot bekommen. Und ich werde es annehmen. Bis eben hatte ich noch Zweifel. Ich hatte doch tatsächlich geglaubt, dir würdean unserem gemeinsamen Projekt etwas liegen. Aber für dich ist es offenbar schon längst vorbei.«
»Nein, das ist es nicht. Vicky, was ist los?«
»Ich werde für Sandrine Beaufort arbeiten.«
Die nachfolgende Stille genoss Vicky sichtlich. Anna war unfähig, auch nur einen zusammenhängenden Satz zu formulieren. Ihre Nackenhaare sträubten sich, und einmal mehr spürte sie, dass etwas Ungutes durch diese Räume strich.
»Für Sandrine?«, brachte sie schließlich heraus. »Als was denn?«
Ein rätselhaftes Lächeln spielte um Vickys Lippen. »Sie sucht eine Presseagentin für ihre Europa-Geschäfte. Das geht ein bisschen über das Entwickeln von PR-Konzepten hinaus.«
»Eine Presseagentin.«
Niemals im Leben hätte Anna geglaubt, dass Sandrine sich dafür ausgerechnet Vicky aussuchen würde. Vicky sah ihr diesen Gedanken wohl an.
»Das wundert dich, nicht wahr? Aber anders als du traut sie mir einiges zu. Sie versteckt mich nicht in einem Hinterzimmer. Im Gegenteil: Sie lässt mich mit Kunden reden und meine eigenen Ideen präsentieren. Und ob du es glaubst oder nicht: Es klappt richtig gut. Sandrine hat mich zu einem anderen Menschen gemacht. Sie hat mich rausgeholt aus meiner Ecke, in die du mich so gerne weiter gesteckt hättest.«
»Ich habe dich nie versteckt!«
»So?« Vicky deutet auf ihren Schreibtisch und die Regale. »Und wie nennst du das? Etwa repräsentativ? Ich habe jahrelang in deinem Schatten gestanden. All die Probleme, die ich hatte, sind im Lauf der Zeit immer schlimmer statt besser geworden. Bei Sandrine waren sie verschwunden. Vom ersten Moment an! Du hättest mich doch nie mit einem Kunden reden lassen. Du hattest doch immer Angst, dass ich dich blamiere. Aber damit ist es jetzt vorbei.«
Anna traute ihren Ohren nicht. Aber Vicky war noch nicht fertig.
»Ausmir wird noch was. Nachdem ich hier schon beinahe lebendig begraben und völlig am Ende war, kommt eine Frau wie Sandrine und glaubt an mich. Das hast du nie getan.«
»Ich habe immer an dich geglaubt«, flüsterte Anna.
»Wenn du das getan hättest, hättest du dich wenigstens mal gemeldet.«
Vicky ging zur Tür. »Ich habe Jahre meines Lebens in diesem Büro verplempert, damit du nach außen hin die tolle Geschäftsfrau spielen konntest. Das hat uns beinahe in den Bankrott getrieben. Und als Weller auftauchte, hast du deine Schäfchen ins Trockene gebracht. Also mach mir jetzt keine Vorwürfe, wenn ich das Gleiche tue.«
Anna trat einen Schritt näher. »Das mache ich doch nicht. Aber wir sind doch Freundinnen!«
»Ach ja?« Vicky wich zurück. In ihren braunen Augen schimmerte etwas, was Anna im ersten Moment für Tränen hielt. »Besser echte Feindinnen als falsche Freundinnen. Ich wünsche dir alles Gute. Aber erwarte nach all dem, was du mir angetan hast, kein Entgegenkommen. Wir stehen ab heute auf verschiedenen Seiten. Leb wohl.«
Sie ging. Wie betäubt stand Anna in der Mitte des Raumes und konnte keinen klaren Gedanken fassen. Was war bloß in Vicky gefahren? Sie hatte immer an ihre Freundin geglaubt. Ihre Vorwürfe trafen Anna mitten ins Herz. Sie spürte, wie ihre Kehle eng wurde, als sie ein letztes Mal durch die Räume ging, in denen sie so viel gearbeitet, aber auch so viel gelacht hatten.
Merkwürdig, wie schäbig alles auf einmal wirkte. Es
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