Daemonenherz
Einerseits war es das Verhaltensschema, in das ich mich normalerweise verliebte. Andererseits existierte kein Schema für gerettete Erzdämonen und ihr natürliches Verhalten. Mein Hirn verdrängte konsequent die Tatsache, dass Engel und Dämonen existierten. Somit war Raciel ein gestrandeter Typ, dem ich zufälligerweise das Leben gerettet hatte. Nichts weiter. Nicht wirklich klüger, sich mit einem potenziell geistesgestörten Emo einzulassen, aber doch beruhigender als die Erzdämonen-Sache.
Ich legte diese Gedankenakte beiseite und griff nach der nächsten. Gabriel. Über ihre Warnung und über die Frage, ob ich sie ernst nehmen sollte. Ich wusste, ich musste sie ernst nehmen. Trotzdem verspürte ich keine große Lust dazu.
Ehrlich gesagt hatte ich Angst. Bis gestern war meine Zukunft überschaubar gewesen. Eine Abfolge von Tagen und Routinen. Sie war nicht besonders rosig gewesen aber ok. Ich hatte meine Zukunft im Griff.
Jetzt war alles anders. Es gab nichts, das ich hätte planen können. Nichts, auf das ich mich hätte einstellen können. Weil das, was in den letzten Stunden geschehen war so komplett aus dem Ruder der Normalität gelaufen war, das es nur Unsicherheit zurück ließ. Die panische Angst, mich auf etwas einzulassen, das ich nicht kontrollieren konnte. Mich auf etwas einzulassen, was mich wieder verletzen könnte. Mein Verstand wusste, wohin das führen konnte. Meinem Herz schien das egal zu sein. Das war das Problem.
Während sich also mein Herz und mein Verstand stritten, blieb für mich nichts weiter übrig, als stoisch an die Decke zu starren. Die Nervosität zu ignorieren. Die Spannung. Die Übelkeit, hervorgerufen durch die Achterbahn meiner eigenen Gefühle, über die ich in Anbetracht meines Schlafmangels die Kontrolle verlor.
Als ich aufwachte, schien die Sonne bereits durch die Ritzen meiner Vorhänge. Das Licht war schummerig, trotzdem konnte ich alles genau erkennen. Der große mächtige Schrank aus Eichenholz mit den Schnitzereien, die Kommode mit dem Spiegel von Ikea, die neben meiner Tür stand. Der Sofasitz bei meinem Fenster, dessen dunkelgrauen Stoff man durch den Berg an Schmutzwäsche kaum sehen konnte.
Jemand strich mir durch die Haare.
Augenblicklich war ich wach.
Raciel lag neben mir und lächelte, seine Hand in meinen Haaren.
«Morgen», säuselte er.
Nicht gut, schoss es durch meinen Kopf.
Das war überhaupt nicht gut.
«Was tust du hier», stotterte ich.
«Auf dich aufpassen.»
«O-okay!»
Ich kletterte aus meinem Bett und stürzte zum Zimmer hinaus, runter in die Küche.
«Sei doch nicht sauer», rief er und folgte mir. «Ich hab gar nichts getan.»
Ich hielt inne, riss gewaltsam die Kühlschranktüre auf.
Raciel stand im Türrahmen und schwieg. Ich ignorierte ihn.
Das war bei einem Dämon offensichtlich ein verdammt großer Fehler.
Er riss mich herum und drückte mich an die Wand. Ich keuchte auf.
Sein Blick sprach Bände. Er war wütend. Eine Eiseskälte durchfuhr meinen Körper. Panik machte sich in meiner Brust breit und Tränen schossen in meine Augen.
Mein Puls raste.
Mein Atem ging stoßweise.
Etwas drückte mir den Brustkorb zu.
Angst. Kälte. Ich begann zu Zittern. Was zur Hölle war das!!
Sein Blick alleine tat so furchtbar weh, dass ich hätte schreien können.
Seine Augen klärten sich. Er atmete tief durch, ließ mich ruckartig los und wich einen Schritt zurück.
«T- tut mir leid.»
Er stand vor mir wie ein Häufchen Elend, wagte kaum, mich anzusehen.
Der Schock saß tief. Zumindest ein paar Sekunden.
Was… war… das!
Ich heuchelte Verständnis.
«Ist schon gut», flüsterte ich und streckte die Hand nach ihm aus.
Er wich zurück. Ich trat näher und zog ihn am Nacken in meine Arme und an mich. «Nichts passiert.»
Die Anspannung löste sich aus seinen Gliedern und er vergrub sein Gesicht in meiner Nackenbeuge.
Instinktiv strich ich durch seine Haare.
Mein rasendes Herz beruhigte sich. Er hatte mir eine Höllenangst eingejagt.
Ich löste mich und musterte ihn.
«Wie hast du das gemacht?»
«Fähigkeit von Dämonen. Es tut mir wirklich leid. Ich hab die Kontrolle verloren.»
Na das war mir aufgefallen! Meine Oberarme pochten an der Stelle, an der er mich gepackt hatte. Ganz zu schweigen von meinen zitternden Gliedern.
Er starrte zu Boden. Sein stechender Blick war verschwunden und ich lächelte. Es tat mir Leid, ihn so zu sehen.
«Was willst du essen?»
Er musterte mich verwirrt.
Ich wartete nicht auf seine
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