Daemonenherz
Sofort.
Schnell tat ich den ersten Schritt, und während diese Bewegung noch meine ganze Kraft forderte, fiel mir jeder weitere Schritt leichter. So leicht, dass ich die letzten paar hundert Meter zu meinem Haus rannte.
Als ich die Tür öffnete, schlug mir der Duft von warmem Brot entgegen. Jemand werkelte in der Küche.
Kaum war ich über die Schwelle getreten, ließ die Panik nach. Mein Herzschlag verlangsamte, mein Atem beruhigte sich. Das Zittern wurde von Sekunde zu Sekunde weniger.
Hier war ich sicher.
«Raciel?» rief ich, erinnerte mich aber an die verräterische Einkaufstasche, die ich bei mir trug.
Ich biss mir auf die Lippen und eilte die Treppe hinauf, hinein in mein Zimmer. Die Tasche verstaute ich in der hintersten Ecke meines Schrankes.
Erst danach schlenderte ich in die Küche.
«Irial», rief Raciel fast schon verdächtig begeistert und strahlte über beide Ohren. «Wo warst du?»
«Ich war… spazieren», antwortete ich rasch. «Etwas frische Luft tut manchmal ganz gut.»
Er lächelte und drückte mir einen Teller mit frischen Brötchen in die Hand.
«Ab ins Wohnzimmer damit», befahl er und scheuchte mich mit einem Glas Konfitüre und zwei Messern aus der Küche.
Ich ließ mich auf dem Sofa nieder.
«Raciel», begann ich, und verhinderte im letzten Moment, dass er den Fernseher einschaltete.
«Raciel, hör mir zu. Da war eine Frau.»
Ich merkte augenblicklich, dass ich mit meiner Vermutung richtig lag.
Er starrte mich entsetzt an, als ich fortfuhr.
«Sie hat nach dir gefragt.»
«Wie sah sie aus?»
«Gross. Schlank. Blond. Fuhr einen schicken Wagen.»
Raciel erbleichte. «Belial. Belial sucht nach mir?» Er sank ins Sofa. «Na toll. Ich will nicht schon wieder als Höllenwurm enden.»
«Hä?»
Er beugte sich zu mir. «Wenn ich getötet werde, werde ich in der Hölle widergeboren. Allerdings als unterste Kreatur. Dauert wieder Jahrhunderte, bis ich soweit bin wie jetzt.»
Ich beschloss, auf weitere Erklärungen zu verzichten. So wenig Wissen wie möglich war noch immer mehr als genug. Also lenkte ich zurück auf das eigentliche Thema.
«Sie fragte mich, ob ich dich gesehen hätte. Ich sagte, nein.»
Er musterte mich mit einem kritischen Blick. «Das hat sie dir abgekauft?»
«Ich denke schon.»
«Wie hast du dich gefühlt, als du hierher zurückgekommen bist.»
Nur ungern erinnerte ich mich an dieses Gefühl. Diese Kälte. «Mir war kalt. Ich fühlte mich beobachtet. Alles schien mir verdächtig.»
Diese Erklärung war noch weit untertrieben. Raciel schien das zu wissen und Mitleid flackerte in seinem Blick auf.
«Du stehst jetzt unter Beobachtung.»
Ich war mir nicht sicher, ob ich mehr
dazu
wissen wollte. Unbeirrt fuhr Raciel fort.
«Du bist jetzt im Tracking-System registriert. Sie verfolgen deine Aktivität in der Zentrale.»
«Im Tracking-System?»
Mein Magen knurrte, aber ich ließ das Brötchen zurück in den Teller sinken.
«Ja, das Tracking-System eben. Ein Programm, das automatisch alle deine Aktivitäten registriert, aufzeichnet und an die Zentrale weiterleitet. Die werten das aus und Stufen dich ein.»
Er schmierte sich sein Brötchen und biss herzhaft hinein.
Ich ignorierte seinen Computerjargon.
«Wie kannst du da so ruhig bleiben!» rief ich. «Das führt sie direkt zu dir!»
Er schüttelte den Kopf und verging sich ein weiteres Mal am Konfitürenglas.
«Nö. Häuser und Wohnungen sind neutrale Zone. Nichts geht rein und nichts geht raus. Weder von unserem System, noch von dem des Himmels. Außer man bittet sie hinein. Du hast mich hinein gebeten. Alle weiteren Wesen benötigen deine Erlaubnis.»
«Das heißt, du bist hier sicher?»
«Dich hat eine hochrangige Dämonin auf der Straße angesprochen. Du wurdest von Chimären verletzt und stehst auf der Beobachtungsliste der Hölle. Du hast echt genug eigene Probleme, als dich um mich zu sorgen. Das ist leichtsinnig, Irial.»
Ich nahm seine Hand in meine und lächelte entschuldigend.
Natürlich war es leichtsinnig. Sorge um ihn gehörte zu den dümmsten Gefühlsregungen der letzten Jahre.
«Ich kann nicht zulassen, dass dir etwas passiert. Gabriel hat mir versprochen, mich zu schützen. Dich schützt niemand.»
Er lächelte sein sanftmütiges Lächeln und schüttelte den Kopf. «Ich hol uns was zu trinken», sagte er und stand auf. «Orangensaft?»
Ich nickte und er verschwand in der Küche. Ich schaltete den Fernseher an und zappte durch die Kanäle.
Irgendwie brauchte er verflucht lange
Weitere Kostenlose Bücher