nicht», grinste Raciel.
Mit seinem Daumen wischte er die Tränen von meiner Wange. Er zog mich an sich und hielt mich fest. Ich hätte am liebsten weiter geheult.
Tat ich auch.
Mist.
«Tut mir leid. Das alles ist irgendwie…» Ich stockte.
«Zu viel?» fragte er und strich mir durch die Haare. «Du hältst dich ziemlich tapfer in Anbetracht der Situation. Ich will dir aber nicht noch mehr schaden. Es ist besser, wenn ich gehe.»
«Nein!!»
Es erstaunte mich selbst, wie vehement sich mein Innerstes gegen diesen Gedanken wehrte. Das war nicht gut. Das nahm unheimliche, fast schon abartige Züge an. Für meinen Geschmack zumindest.
Ich hatte den Bad Boy unter den Bad Boys gefunden und war drauf und dran, mich in ihn zu verlieben. So sehr mein Verstand riet, ihn möglichst schnell los zu werden und mir eine Menge Probleme zu ersparen, sträubte sich jede Faser meines Körpers gegen diesen Gedanken.
«Schon gut, schon gut ich bleibe», grinste er. «Kommst du nicht zu spät?»
«Egal», murrte ich wie ein kleines Kind und starrte auf meine nackten Füße. «Darf ich mich jetzt wieder anziehen?»
Er räusperte sich. «Ungern.»
Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
«Jaja, ich gehe», fügte er darauf hinzu und schlich aus dem Badezimmer.
***
Von:
[email protected] Betreff: Alles ok?
Hey, hast du dich erholt?
Heute war ich definitiv in Stimmung, den PC zum Bürofenster raus zu schmeißen. Das lag für einmal nicht an Microsoft.
Ich war Hals über Kopf aus dem Haus geflohen und verkroch mich nun hinter meinem Stapel an Arbeit. Anscheinend vergeblich, denn das Piepen meiner Mailbox verfolgte mich.
Ich antwortete nicht. Es dauerte keine zehn Minuten, da folgte bereits die nächste Nachricht.
Irial? Ich wollte dich echt nicht beleidigen… alles in Ordnung bei dir?
Nichts war in Ordnung. Ich war noch immer stocksauer auf ihn. Auf mich. Auf die zwei Verkaufsschnepfen in der Parfümerie!
Wütend hämmerte ich die Tasten. Am liebsten hätte ich meine Mailbox geschlossen. Durfte ich nicht. Wenn mir Sandra eine Mail schickte und ich nicht sofort antwortete oder in irgendeiner Form darauf reagierte, stand sie jeweils eine Minute später bei mir im Büro.
Ich wollte sie nicht in meinem Büro.
Ich ließ zwei Mails von Raciel über mich ergehen. Irgendwann erbarmte ich mich.
Alles ok. Hab viel zu tun.
Damit würde er sich begnügen müssen. Ich überlegte mir bereits eine Strategie, wie ich mich unbemerkt von der Haustüre bis in mein Zimmer schleichen könnte, ohne dass ich ihm über den Weg lief.
Wollte nicht wissen, wies bei der Arbeit ist. Will wissen, wie es dir geht…
Problem daran: Ich wollte es ihm nicht sagen. Es ging ihn nichts an. Ich kannte ihn erst wenige Tage und machte mir schon mehr Gedanken über seine Gedanken zu meinen Gedanken, als ich mir hätte Gedanken machen dürfen.
Außerdem war da immer noch die kleine warnende Stimme der Vernunft im Hinterkopf, die einfach nicht die Klappe halten konnte.
Er war ein Erzdämon und wenn man der Bibel glauben konnte, war das eher blöd für mich. Ich dachte auch nicht, dass ich mir mit dieser Dämonen-Rettungsaktion besonders viele Bonuspunkte beim Chef da oben einhandeln konnte. Vor der Himmelspforte würde es für mich heißen: «Ich habe leider kein Foto für dich…» Dumm gelaufen. Der Türsteher des Paradieses war momentan mein kleinstes Problem. Über Petrus – oder Heidi - konnte ich mir Sorgen machen, wenn es soweit war. Momentan erschien mir die peinliche Aktion von heute Morgen schlimmer. Viel schlimmer. Es war mein persönlicher kosmischer Super-GAU. Raciel stocherte noch in der Wunde herum. Gewaltsam und in purer Absicht. Er hatte kein Recht zu fragen, wie es mir ging. Ich hatte glücklicherweise das Recht, auf seine unrechtmäßige Frage nicht zu antworten.
Vor meiner Haustür blieb ich stehen. Ich trippelte einige Male unsicher vom linken Fuß auf den Rechten und biss mir auf die Unterlippe. Hier draußen war es nicht wirklich gemütlich. Das Höllen-Tracking-System tat seine Arbeit. Ich fühlte mich ausgeliefert und schutzlos.
Wenn ich zwischen zwei Übeln wählen konnte, wählte ich lieber das, welches drinnen auf mich wartete. Ich drehte den Schlüssel, schlich hinein und hing meine Jacke an den Haken. Von Raciel keine Spur. Ich atmete auf, schlich Treppe hinauf, um unbemerkt in meinem Zimmer zu verschwinden.
Da packte mich jemand am Handgelenk, schleuderte mich