Daemonenherz
würde. Der Glaube daran, denjenigen gefunden zu haben, der meine Welt verändern konnte.
Der Schmerz betäubte mich. Ich war innerlich tot, das wusste ich, als ich mich auf die Beine hievte und ins Bad schleppte. Tränen rannen über meine Wangen. Ich machte mir nicht die Mühe, sie weg zu wischen.
Ich hatte bislang jene Menschen immer innerlich belächelt. Die mit den Narben an den Unterarmen. Diejenigen, die echt so dämlich waren, sich selbst zu verletzen. Wie konnte man nur? Was brachte es denn?
Mir war schlecht.
Ich würde sie nie wieder belächeln. Ich wollte jemanden verletzen. Meine Wut und meinen Hass an jemandem auslassen. Mit Vorliebe an demjenigen, den ich zurzeit am meisten verabscheute.
Mich. Ich war das Letzte. Schwach. Allein. Ein armes Ding, das sich selbst bemitleidete. Ich blickte in mein Spiegelbild über dem Waschbecken. Es war mir fremd.
Mir war nichts geblieben. Alles hatte ich versaut.
Meinen Job.
Meine Beziehungen. Sogar meine Freunde waren über die Jahre immer weniger geworden. Vermutlich, weil sie meine Visage nicht ertragen konnten. So wie Raciel.
Ein erneuter Heulkrampf schüttelte mich. Ich klammerte mich am Waschbecken fest, dass die Knöchel weiß hervor traten.
Etwas Scharfes
, schoss es mir durch den Kopf.
Der Venus-Gilette Rasierer lag in der Nähe. In pink. Erwecke die Göttin in dir. Nein. Die konnte bleiben wo sie war. Vor mir lag die Nagelschere. Musste reichen.
Mein ganzer Körper zitterte. Ich spürte es nicht. Nicht mehr. Alles war verschwommen und nur die dunkle Stimme in meinem Hinterkopf feixte.
Du bist allein.
Du bist wertlos.
Er ist weg. Alle sind weg.
Du bist nichts. Verschwinde.
Die Stimme hatte Recht.
Ich sank auf den plüschigen Badezimmerteppich und setzte die Nagelschere an. Zog. Kein Blut. Zu wenig scharf. Zu wenig tief. Zu wenig Mumm in den Knochen, um wirklich zuzudrücken.
Sogar dabei versagte ich.
Ich war echt zum Heulen.
Das kalte Metall ließ nur dünne Striemen auf meiner hellen Haut zurück. In pink.
Wieder heulte ich. Begann wieder zu zittern. Scheiß drauf.
Ich setzte wieder an. Wieder. Und wieder. Waren es eben nur Striemen, fluchte ich. Wenigstens spürte ich etwas.
Es brannte. Kümmerte mich nicht. Verfluchte mich nur dafür, dass ich sogar zum depressiv sein zu erbärmlich war.
Warum konnte ich nicht einfach tot umfallen. Einfach verschwinden. Es wäre allen geholfen damit.
Allen voran mir.
Nichts geschah. Mein Unterarm begann zu Pochen und zu Brennen. Der Schmerz holte mich aus meiner Trance zurück.
Ich war noch da. Ich war noch am Leben. Ein Versager auf der ganzen Linie. Aber ich war noch da.
Alles sinnlos.
Mein Inneres fühlte sich taub an. Ich spürte die Tränen nicht. Spürte meinen Körper nicht. Als würde mich mein Gehirn vor all den Emotionen schützen wollen, die in mir brodelten. Gut so.
Mühsam schleppte ich mich zurück ins Zimmer. Ließ mich in die Laken fallen und rollte mich zusammen. Starrte auf die kümmerlichen Striemen auf meinem Unterarm. All das wegen Raciel?
Nein, keifte die Stimme. All das wegen deinem beschissenen Leben.
Ja. Die Stimme hatte Recht.
Ich schloss die Augen und ließ die Stimme weiter keifen. Vielleicht würde sie irgendwann verstummen. Vielleicht würde ein Wunder geschehen.
Wie dumm ich war.
Es sollte erst beginnen.
Die Hölle ist kein Club Med
«Irial», säuselte jemand. «Arme, arme Irial.»
Träumte ich? War jemand hier? Ich hob den Kopf. Das Zimmer war dunkel, nur der Mond schien fahl durch das Fenster.
Vage konnte ich jemanden im Türrahmen erkennen. Meine Augen waren geschwollen und mein Blick trübe von den vielen Tränen.
Sie drohten zurückzukehren, als mir aus meinem Dämmerzustand bewusst wurde, was geschehen war.
«Ausgeschlafen?» fragte der Fremde.
Mein Schmerz verblasste für ein anderes Gefühl.
Angst.
Wer war dieser Typ.
Sprechen fiel mir noch immer schwer. Meine Kehle war ausgetrocknet, meine Lippen bewegten sich nur schwerfällig.
«Wer…», krächzte ich und verstummte.
Der Wecker auf meiner Kommode zeigte drei Uhr morgens.
Der Fremde lachte. Ich mochte das Lachen nicht.
«Ich?» säuselte er fröhlich und trat näher.
Er setzte sich auf die Kante meines Bettes.
Ich schauderte.
Es war kalt geworden.
Er war kein Mensch. Dieser Mann war ein Dämon. Einer, mit dem ich mich nicht anlegen wollte.
Ich versuchte, ein letztes Bisschen Stolz zu wahren und richtete mich auf.
Meine Glieder waren schwer und steif, es dauerte eine
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