Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
finden, falls ihr beim Anblick allzu viel zerplatzter Haut eine Ohnmacht drohte. Aber auch dafür, dass es hungrig machen könnte, einen Menschen aus Qual schreien zu hören, wurde mit etwas Obst und einem Stück Schinken vorgesorgt. Nach R'shiels fester Überzeugung war die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass eine Frau, die eine Mahlzeit einpackte, wenn sie einer öffentlichen Auspeitschung beizuwohnen gedachte, einer Ohnmacht nahe kam, sobald sie Blut sah. Am Morgen scheuchte Crisabelle, gehüllt in ein Kleid mit weitem Saum, das gelb wie Butterblumen war und an der Brust einen großen Spitzeneinsatz mit den Umrissen eines Dreiecks aufwies, R'shiel geradezu aus dem Haus. Für R'shiels Begriffe war das Kleid grässlich, doch Crisabelle erachtete es als genau richtig für den Anlass.
Als sie den Markt betraten, hatte der Platz sich halb mit Menschen gefüllt, doch gab die Menge bereitwillig eine Gasse frei, um Crisabelle durchzulassen. Sie erstieg den Vorbau des Amtsgebäudes, wo Wilem Cortanen soeben mit Mysekis eine Liste prüfte. Er hob den Blick, als Crisabelle erschien, und flüchtig nahm sein Gesicht einen bitterlich grimmigen Ausdruck an, ehe er rasch eine nichts sagende Miene zog.
»Was machst denn du hier, meine Liebe?«
R'shiel blieb im Hintergrund. Sie verspürte keinerlei Wunsch, Tarjanians Auspeitschung mit anzusehen, und hoffte, dass Cortanen seine Gattin fortschickte. Crisabelle aber wollte sich den Genuss um keinen Preis verderben lassen. Sie überhörte die Frage ihres Ehemanns und suchte sich am Geländer einen Stehplatz mit vorteilhaftem Ausblick. Wilem Cortanen schüttelte den Kopf und widmete seine Aufmerksamkeit wieder Mysekis.
Es dauerte nicht lange, bis man die vier zur Züchtigung bestimmten Sträflinge aus dem hinterm Amtssitz gelegenen Kerker auf den Markt führte. Alle kamen mit nacktem Oberkörper und schlotterten in der frostigen Morgenkühle. Ohne viel Umstände zerrte man den ersten Mann zum Pranger, einem hohen, dicken Holzstamm, den man tief in den Boden gegraben und darin verkeilt hatte. Am Oberende des Pfostens war ein starker Eisenring befestigt, an den man mit einem kräftigen Hanfseil die Hände des Sträflings band. Sobald die Hände gefesselt waren, traten die mit diesen Aufgaben betrauten Wächter dem Mann die Beine auseinander und schnürten sie einzeln an einen in Fußhöhe befindlichen Querbalken. Kaum hatte man den Übeltäter auf diese Weise angebunden, entrollte Mysekis das Pergament und las ein paar karge Einzelheiten ab.
»Jiven Nievergalt. Fünf Peitschenhiebe wegen Bestehlens der Küche.«
Kaum war die Bekanntmachung erfolgt, trat der Hüter vor, der die Hiebe austeilen sollte. Zu sehen, dass es Loclon war, überraschte R'shiel nicht im Mindesten. In der Faust hatte er am kurzen Griff die scheußlich beschaffene Geißel, die aus etlichen Lederriemen bestand, die jeweils an der Spitze einen Knoten mit hinein geknüpften Eisenhäkchen aufwiesen. Tigerschweif nannte man dieses fürchterliche Werkzeug. Ein tüchtiger Peitschenschwinger sollte mit der Geißel entsetzlich schmerzhafte Schläge zufügen können. Schon anhand der Weise, wie sich Loclon hinter dem Gefesselten aufstellte, erkannte R'shiel, dass er nicht nur wusste, wie er die Geißel zu handhaben hatte, sondern zudem durch ihren Gebrauch satte Befriedigung erlangte.
Der Sträfling am Pfosten schrie auf, noch ehe der erste Hieb fiel, und jedes Klatschen der Geißel begleitete er mit einem neuen Aufheulen. Nach dem letzten Schlag schluchzte er hemmungslos. Als die Wachen ihn losbanden, brach er zusammen, und schrie dann nochmals, als man ihm einen Kübel Salzwasser auf den blutigen Rücken schüttete. Zwei Hüter schleiften ihn fort, und der nächste Straffällige kam an die Reihe. Wieder schaute Mysekis in sein Verzeichnis.
»Virnin Kerzler. Fünf Peitschenhiebe wegen verbotenen Weinbrennens.«
Der abstoßende Vorgang wiederholte sich und schlug R'shiel auf den Magen. Stumm schaute die Menschenmenge zu, untermalte jeden Peitschenhieb aber mit einem vernehmlichen Luftschnappen. Dieser Sträfling schrie erst beim zweiten Hieb, war jedoch, als die Wächter ihn vom Pfahl befreiten, fast so entkräftet wie der vorherige Betroffene. Der grobschlächtige erste Beistand, den sie ihm gewährten, bestand wiederum aus einem Kübel Salzwasser, das ihm ein erneutes Aufbrüllen entlockte. Doch er entfernte sich auf den eigenen Beinen, seine Bewacher mussten ihn nicht stützen.
Nachdem man den dritten Mann
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