Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
zufrieden sein«, sagte Brakandaran.
»Und was soll werden, wenn wir in Testra sind?«
»Es gibt dort einen Gasthof, mit dessen Inhaberin ich gut befreundet bin«, antwortete Brakandaran mit leiser Stimme, obwohl sie die einzigen Fahrgäste auf der Fähre waren. »Bei ihr harren wir aus, bis Hilfe kommt.«
»Hilfe?«
»Vertrau mir«, verlangte Brakandaran mit leichtem Schmunzeln.
»In der Südmark erzählt man«, äußerte Tarjanian,
»auf fardohnjisch hieße ›vertrau mir‹ das Gleiche wie ›hol dich der Henker.‹«
»Aha. Aber ich bin Harshini, kein Fardohnjer. Du kannst darauf bauen, dass ›vertrau mir‹ bei mir eben das und nichts anderes bedeutet.«
»Schaut nur!«
Songards Ruf erregte die Aufmerksamkeit der beiden Männer. Sie begaben sich an die andere Seite der Fähre und blickten in die Richtung, wohin der ausgestreckte Finger der Court'esa wies. Eine große, in leuchtendem Blau gestrichene Barke bewegte sich langsam flussabwärst auf die Testrarer Hafenanlagen zu. Die Segel waren gerefft, und die schmuck gekleidete Besatzung schwärmte über die Decks, fuchtelte in der vielfältigsten Weise mit den Armen und schrie den Ruderern der Schleppboote, die das Schiff zum Hafen zogen, unablässig Anweisungen zu.
»Das ist der karische Gesandte«, stellte Tarjanian fest. Das Schiff des karischen Botschafters kehrte wohl vom alljährlichen Besuch der Zitadelle zurück. Auf dem Achterdeck stand Kaplan Elfron neben Ritter Pieter, der im Prunkharnisch das Anlegen beobachtete. Tarjanian fragte sich, wen er mit diesem Aufzug wohl beeindrucken wollte, dann schaute er R'shiel an. Sie hatte eine völlig ausdruckslose Miene. Anscheinend blieb ihr das Auftauchen des Schiffs gleichgültig.
»Er hat einen Priester dabei«, bemerkte Brakandaran in einem Tonfall, der dazu führte, dass Tarjanian ihn verwundert musterte. »Weniges auf der Welt flößt mir Furcht ein, Tarjanian, aber ein Priester, der Xaphistas Stab mit sich trägt, ist mir durchaus Grund zur Furcht.«
Nachdenklich nahm Tarjanian diese Offenbarung zur Kenntnis. Er erinnerte sich an seine Begegnung mit Elfron. Der Geistliche hatte mit dem Stab seine Schulter berührt, ohne dass sich irgendetwas ereignet hätte.
»Pieter kennt mich«, warnte er Brakandaran. »Und ebenso R'shiel.«
»Dann lasst uns hoffen, dass er euch nicht zu sehen bekommt. Ich würde euch gern helfen, wenn es mir möglich wäre, aber der Pfaffe könnte jede Tarn-Magie erkennen.«
»Was ist denn 'ne Tarn-Magie?«, erkundigte Songard sich neugierig.
»Unter diesen Umständen ausschließlich Wunschdenken.«
»Einerlei«, sagte R'shiel so leise, dass Tarjanian es kaum hören konnte. »Er hat uns schon bemerkt. Er weiß, dass wir hier sind.«
Als die Fähre Testra erreichte, machte das karische Schiff gerade fest. Inzwischen waren Pieter und Elfron vom Achterdeck verschwunden. Tarjanian versuchte sich damit zu beruhigen, dass er R'shiels unerfreuliche Behauptung als bloße Schwarzmalerei ihrer düsteren Gemütsverfassung abtat. Pieter wusste über die Lage in Medalon Bescheid, und hätte er die Fahrgäste der Fähre erkannt, wären sie am Anlegeplatz von Hütern erwartet und festgenommen worden.
Die Flüchtigen schwangen sich erneut auf die Pferde, um zum Gasthof zu reiten. Er lag am anderen Ende der Stadt, aber so wie ihr Auftauchen in Vanaheim kein Aufsehen verursacht hatte, so wenig kam es während des Ritts durch Testra zu irgendwelchen Zwischenfällen. Tarjanian war deswegen genauso überrascht wie erleichtert. Zwar sorgte ihn die Möglichkeit, dass Ritter Pieter ihn oder R'shiel erspäht haben könnte, aber Testra war eine Rebellen-Hochburg - als Beweis dafür ließen sich etliche trotzige Parolen ansehen, die jemand in Hafennähe an die Mauern der Lagerhäuser geschrieben hatte -, und wenn ihm die Gefahr drohte, erkannt zu werden, dann gewiss am ehesten in dieser Stadt. Laut klapperten die Hufe der Pferde, während sie die gepflasterte Straße entlangritten.
Brakandaran las die Schlagworte und blickte Tarjanian an. »Darf ich dir eine Frage stellen?«
»Sicherlich.«
»Mich beschäftigt etwas, seit ich zu den Rebellen gestoßen bin. Die meisten Medaloner lernen gar nicht lesen, oder?«
»Novizinnen und Kadetten lernen es«, erklärte Tarjanian. »Kinder vermögender Händler besuchen gewerbsmäßige Lehrstätten oder haben Hauslehrer, und Bedienstete, für deren Tätigkeit es unentbehrlich ist, werden zumindest in gewissem Umfang damit vertraut gemacht. Geringe Bildung
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