Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
nicht genau wusste, ob er ihn sicherheitshalber töten oder darauf verzichten sollte.
»Es tut mir Leid, Tarjanian.«
»Was?«
»Durch meine Schuld bist du in heidnische Kreise geraten. Vielleicht ist es auch meine Schuld, dass du dem Hüter-Heer abspenstig geworden bist. Dahin ist es erst gekommen, als du über mich die Wahrheit wusstest.«
»An alledem bist doch du nicht schuld, R'shiel.« Tarjanian spürte eindringlich ihre Nähe, denn sie saß so dicht bei ihm, dass sie sich fast, aber nicht ganz berührten.
»Dennoch bitte ich dich um Verzeihung.« Sie legte die Hand auf seinen Arm. Er spürte die Wärme ihres Körpers und musste eine vorsätzliche Willensanstrengung aufbieten, um die Hand nicht zu ergreifen.
»Wenn dir dadurch wohler zumute wird ...«
Sie war ihm so nah, dass er es nicht mehr ertragen konnte, also stand er mit einer gewissen Plötzlichkeit auf und schlenderte zum Stalltor. Er lehnte sich an den Torpfosten und betrachtete R'shiel aus gefahrloserem Abstand.
»Auf was warten wir eigentlich, Tarja?«, fragte sie. Anscheinend fühlte sie sich durch sein Verhalten ein wenig gekränkt. Sie neigte den Kopf zur Seite und musterte ihn, als wäre sein Betragen ihr undurchschaubar. »Glaubst du, Brakandaran gehört noch zu den Rebellen?«
»Falls ja, dann vermute ich, dass er ursprünglich nicht geschickt worden ist, um mich zu befreien, sondern um mich zu töten.«
»Ich bin froh, dass er dich nicht getötet hat.« R'shiel erhob sich und ging zu Tarjanian. Dicht vor ihm blieb sie stehen. »Sonst wärst du nicht zur Stelle gewesen, als ich dich brauchte.«
Sie beugte sich vor, küsste ihn dankbar auf die Wange und hielt für einen Augenblick still. Flüchtig zögerte Tarjanian, ehe er den Kopf drehte und ihr einen Kuss auf den Mund gab. Für eine scheinbare, zeitlose Ewigkeit schien alles in der Schwebe zu sein; dann wich sie zurück.
»Verzeih«, sagte Tarjanian unwillkürlich. Doch als er sie von neuem anblickte, ihr dunkelrotes Haar sah, die blauen Augen und die goldbraune Haut, da erkannte mit einem Mal auch er, was ihm bislang stets entgangen war, aber was Zac längst bemerkt hatte. Im Mondschein schaute R'shiel ihn verunsichert an, sie wusste nicht, welche Richtung seine Gedanken nahmen. Was oder wer sie war, ahnte sie nicht im Geringsten. Märchen hatte sie Brakandarans Darlegungen genannt. Wie sollte sie da die Wahrheit begreifen? Allein aus einem Grund hatte Brakandaran es auf sie abgesehen: Sie war eine Harshini .
»Tarja ...?«
Er zog sie an sich, küsste sie so, wie er sie damals im Weinberg geküsst hatte, nur empfand er diesmal keine Entgeisterung und keine Reue. Es gab ausschließlich die von keinem Zweifel getrübte Gewissheit, dass es so und nicht anders sein sollte.
»Na, ist das kein reizender Anblick?«, ertönte aus dem Dunkel eine Stimme, die das unmissverständliche Geräusch des Schwertziehens begleitete.
Lautlos huschten mehrere Gestalten aus den Schatten, alle bewaffnet mit blanken Klingen, die bedrohlich im Mondlicht blitzten. Tarjanian und R'shiel fuhren auseinander, als die Rebellen sie umstellten. Der Sprecher trat in das fahle Licht, das vom Gasthof in die Stallungen drang. Verzweiflung packte Tarjanian, sobald er den Mann mit dem Blondschopf und dem wilden Blick erkannte.
»Ghari ...!«
»Schaut an, Leute, er hat uns nicht vergessen«, sagte Ghari, während er sich Tarjanian näherte. Sobald er ihn erreichte, stieß er ihn roh gegen die Wand und hob das Schwert an seine Kehle. »Du verlogener, hinterlistiger Schurke, ich kann's kaum fassen, dass du die Dreistigkeit aufbringst, dich hier blicken zu lassen. Und wieder, wie ich sehe, im Hüter-Waffenrock.«
»Ghari, ich kann dir erklären ...«, setzte Tarjanian, indem er einen betont vernünftigen Tonfall anschlug, zu einer Rechtfertigung an.
»Was kannst du erklären, Tarjanian?«, knurrte Ghari. »Warum du uns verraten hast? Wieso du fernab warst, während wir uns gegen eine ganze Kompanie Hüter wehren mussten, und den Sieg in der Zitadelle mit deiner Mutter feiertest?«
»Er ist in der Zitadelle der Folter unterworfen worden«, rief R'shiel, als Ghari stärkeren Druck auf die Schwertspitze ausübte und ein Tropfen Blut aus Tarjanians Hals quoll. Kaum war der Zuruf verklungen, sprangen zwei Rebellen zu ihr und zerrten sie roh zur Seite. »Zu keiner Stunde hat er euch verraten!«
Ghari wandte sich ihr zu und senkte die Klinge. Tarjanian schnappte nach Luft.
»Bildest du dir etwa ein, dass ich dir das
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