Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
um vor unangenehmen Entscheidungen zurückzuschrecken.« Er trieb sein Pferd an, zog die Stute mit, und sie sprengten zum Hof hinaus. Über die Schulter sah R'shiel sich um, aber sie konnte Tarja nirgends erblicken. Schon nach kurzer Frist befanden sie sich außer Sichtweite des alten Weinbergs.
Mit albtraumhafter Geschwindigkeit galoppierten sie einen im Finstern kaum sichtbaren Pfad entlang. R'shiel war eine erfahrene Reiterin, aber ihr Tier wurde von fremder Hand geführt, daher hatte sie keine andere Wahl, als mit verkrampften Schenkeln grimmig Halt zu bewahren und zu hoffen, dass sie nicht aus dem Sattel fiel. Bei dieser halsbrecherischen Schnelligkeit wäre ein Aufprall auf dem Boden ihr sicherer Tod. Allerdings preschte sie ja Hals über Kopf einem Schicksal entgegen, das schlimmer war als der Tod, und insofern wäre es für sie ein gnädiges Ende, sich bei einem Sturz vom Pferd das Genick zu brechen. Beinahe empfand sie diese Möglichkeit als erstrebenswerten Abschluss ihres Daseins.
Während der Morgen dämmerte und der Himmel sich erhellte, ritten sie längs des Flusses in die Richtung des Testraer Hafens, und schließlich erblickte R'shiel eine schmale Mole, an der man das kunstvoll verzierte Schiff des Gesandten vertäut hatte. Es hatte die dreifache Größe von Maeras Tochter oder der Melissa und wirkte selbst für R'shiels ungeschultes Auge ungeschlacht und oberlastig. Padric ließ seine Gefährten halten, saß ab und führte das eigene Pferd auf die Mole.
Ritter Pieter, der gewohnheitsmäßig seinen protzigen karischen Prunkharnisch trug, betrat die Laufplanke und kam Padric auf der Mole entgegen. Ihm folgte Elfron, den heute eine schlichte braune Kutte umhüllte. Allerdings hatte er den prächtigen goldenen Stab dabei,
der im Morgenlicht gleißte. Beim Anblick des Priesters wagte R'shiel ein wenig frischen Mut zu fassen. Solange sein Kaplan an Bord weilte, konnte sich Pieter nicht zu irgendwelchen auch nur im Entferntesten »sündhaften« Taten versteigen.
»Hast du sie?«, fragte der Ordensritter Padric, schaute an dem greisen Rebellen vorbei und R'shiel an.
»Jawohl.«
»Bring sie zu uns«, befahl der Ritter. »Elfron, was sagst du?«
Auf der Mole näherte sich der Geistliche, bis er neben R'shiels Stute stand. Durchdringenden Blicks musterte er sie und legte ihr schließlich den Stab an die Schulter.
R'shiel schrie auf, als heftiger Schmerz sie wie ein weiß glühender Spieß durchschoss. Die Pein warf sie aus dem Sattel, sodass sie wuchtig auf den Stein der Mole prallte. In plötzlicher Erregung berührte der Priester ein zweites Mal mit dem Stab ihre Schulter, und nochmals entrang sich R'shiel ein Schrei; sie war sicher, ihr Leib müsse durch die Qual zerbersten. Elfron zog den Stab zurück und wandte sich an den Ritter.
»Das ist Magie«, teilte er ihm voll merklichem Staunen mit, als hätte er eigentlich nie erwartet, jemals mit dem Stab bei einem lebenden Wesen irgendeine Wirkung zu zeitigen. »Die Heidenzauberer sind wider Xaphistas Stab machtlos. Mein Traumgesicht hat mir die Wahrheit offenbart. Sie ist eine von ihnen.« Er beugte sich vor und zerrte R'shiel auf die Beine.
Hemmungslos schluchzte sie, von ihrer Schulter ging grausamer Schmerz aus. Als sie aufblickte, schrak der karische Ordensritter unwillkürlich einen Schritt zurück.
»Du hast uns gut gedient«, sagte der Gesandte huldvoll zu Padric, ehe er seine Beachtung erneut Elfron widmete. »Schaffe sie rasch aufs Schiff.«
R'shiel sah noch, dass Padric ziemlich entgeistert und mehr als nur ein wenig schuldbewusst wirkte, bevor der Geistliche sie sich mit sich fortzog.
»Was habt Ihr mit dem Mädchen vor?«, fragte Padric.
»Xaphistas Stab ist unfehlbar. Also hast du uns den Beweis erbracht, dass die Schwesternschaft die Harshini in Schutz nimmt. Für diesen Beistand darfst du dir unseres ewigen Dankes gewiss sein. Was das Mädchen anbelangt, so wird sie in Xaphistas Tempel auf dem Altar verbrannt, so wie es der Wunsch des Allmächtigen ist, den er unserem Kaplan Elfron offenbart hat.«
»Am meisten liegt mir daran, dass Ihr Euch an Euren Teil des Handels haltet.«
Leicht geringschätzig übergab Pieter dem Rebellen eine schwer gefüllte Geldkatze. »Du hattest mein Wort, guter Mann.«
Der Gesandte eilte dem Priester an Bord nach und erteilte den Befehl, unverzüglich abzulegen. Auf dem Deck sank R'shiel auf die Knie und beobachtete aus von Tränen verschleierten Augen den alten Rebellen, während das Schiff hinaus
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