Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
man in der ganzen Arena nichts als Georjs Röcheln.
Knapp außerhalb der Reichweite Loclons blieb Tarja stehen. Der junge Fähnrich atmete schwer; er erwartete einen Angriff. Nur kurz zögerte der Hauptmann, ehe er die Waffe schwang. Loclon wehrte den Hieb mit Leichtigkeit ab, doch ehe er das Gleichgewicht wiedererlangte, setzte Tarja nach. Weil Loclon sich zuvor ganz auf Georjs planmäßige Kampf weise eingestellt hatte, war er jetzt auf Tarjas Schnelligkeit und Kraft völlig unvorbereitet. Er hatte es nicht mehr mit einem ans Zitadellendasein gewöhnten Hüter zu tun, der vornehmlich an seine Ehre dachte. Jetzt musste er sich mit einem in Gefechten erprobten, erzürnten Veteranen messen.
Tarja entwaffnete Loclon, bevor dieser es merkte. Mit einem lässigen Schlenker der Klinge schleuderte Tarja ihm die Waffe aus der Faust und fügte ihm blitzschnell einen bösen Schnitt zu, der vom linken Auge bis hinab zum Mundwinkel reichte. Loclon schrie auf, stürzte nieder, presste die Hände auf das verletzte Gesicht. Tarja ließ es dabei bewenden, vollzog auf dem Absatz eine Kehrtwendung und stapfte zurück zum Stollen, in den nun die Kameraden und eine in Blau gekleidete Heilerin, die von den Rängen herab zu Hilfe geeilt war, Georj schafften.
Während sie an ihr vorüberhasteten, stützte sich R'shiel an die kühle Steinmauer. Georj gab keinen Laut mehr von sich. Während vier Kameraden ihn forttrugen, hatte er die Besinnung verloren; sein Kopf rollte hin und her, Blut schoss aus durchtrennten Adern.
Abermals brachte ein fürchterlicher Krampf R'shiel an den Rand des Zusammenbrechens, doch in diesem Augenblick begriff sie, dass ihr Zustand sich nicht mit der eben erlebten Darbietung scheußlicher Gewalt, nicht mit dem Fließen so vielen Bluts erklären ließ. Etwas anderes stimmte nicht.
Als Tarja im Stolleneingang erschien, schrak R'shiel vor der Wut in seinen Augen zurück. Er erweckte den Eindruck, sie gar nicht wahrzunehmen, als wäre er aus erbittertem Zorn für seine Umgebung blind geworden. Von neuem ereilte ein diesmal noch schlimmerer Krampf R'shiels Leib, und ihr entfuhr ein Schrei, der offenbar Tarjas Beachtung erregte. Er hielt an und blickte sich nach ihr um.
»Ich hatte dir geraten, nach Hause zu gehen«, sagte er.
R'shiel schwieg, sie war nicht mehr fähig zu antworten. Der Schmerz tobte in ihren Eingeweiden, als bohrte jemand ein Fleischermesser hinein. Sie streckte die Hand aus und fühlte unvermutet ein warmes Strömen zwischen den Beinen. Als sie den Blick senkte, sah sie sich zu ihrer vollkommenen Entgeisterung in einer Lache hellroten Bluts stehen.
»Ihr Gründerinnen!« Tarja sprang zu ihr, als sie niedersank. Er fing sie auf und nahm sie auf die Arme. Das Letzte, was R'shiel gewahrte, bevor sie in einen Strudel gnädiger Dunkelheit entschwebte, war die Tatsache, dass sie in Tarjas Armen ruhte. Im Laufschritt trug er sie fort und rief nach Beistand.
ZWEITER TEIL
Wahrheit und Lügen
7
Im Groenhavner Hafenviertel herrschte ein wirres Gemisch aus Geräuschen und Düften, Geschimpfe und Pechgestank, Fischhändlergeschrei und Fischgeruch, Salzwasserdunst und feuchten Segeln. Ein Wald von Masten erstreckte sich durch den gesamten Hafen, so weit das Auge reichte. Lebendigkeit durchpulste diese Hafenstadt, die sie von allen Häfen unterschied, in denen sich Brakandaran zuvor aufgehalten hatte.
Bänder dunkler Blautöne durchzogen die natürlich entstandene, in der Form einem Halbmond vergleichbare Bucht und kennzeichneten die tiefen Fahrrinnen, die den Hafen mit dem Dregischen Meer verbanden. Die an den Ufermauern vertäuten Schiffe umfassten einen bunten Querschnitt aus hythrischen Fleuten, fardohnjischen Karacken und vereinzelten, farbenfroh bemalten karischen Galleonen, die fast ängstlich zwischen ihren heidnischen Nachbarschiffen ankerten. Am äußersten Ende der Bucht, an einer eigens den Gästen des Königshauses vorbehaltenen Hafenmauer unterhalb des riesigen, weißen königlichen Schlosses, erspähte Brakandaran die schnittigen Umrisse einer fardohnjischen Galeere, an der die königliche Flagge flatterte.
Brakandaran hatte für das Schiff nur einen nachlässigen Blick übrig. Nach jüngster Schätzung sollte König Hablet von Fardohnja genug Sprösslinge haben, um mit ihnen eine mittelgroße Stadt bevölkern zu können. Jedes seiner Kinder mochte sich in Groenhavn eingefunden haben, um bei den Magiern Rat einzuholen, im Tempel der Götter ein Opfer darzubringen oder irgendwelchen Unfug
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