Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
das sittlich tief verworfen und insgesamt sehr träge gewesen sein sollte, gelungen sein mochte, etwas so Großartiges wie die Zitadelle zu errichten.
In einem mit Fackeln erleuchteten Alkoven saß Georj, umgeben von mehreren Freunden, auf einem dreibeinigen Schemel. Alle überschütteten ihn mit Ratschlägen, von denen er, wie man seiner gequälten Miene ansah, die meisten als nutzlos erachtete. Bei R'shiels Erscheinen hob er den Blick, sprang auf und schob seine wohlmeinenden Ratgeber beiseite.
»R'shiel«, rief er und ergriff ihre beiden Hände. »Hat der Gedanke an meinen ruhmreichen Sieg endlich deine Abneigung gegen unsere blutigen Spiele überwunden?«
»Ich dachte, es ist ein Duell, Georj, kein blutiges Spiel«, antwortete sie voller Missfallen.
»Keine Bange, Schwesterchen«, erwiderte Tarja. »Georj erteilt dem jungen Heißsporn Loclon eine Lehre im Schwertkampf und bringt ihm zum Andenken eine kleine Narbe bei, sonst nichts.«
R'shiel beugte sich vor und küsste Georj zart auf die Wange. »Gib Acht, Georj. Und viel Glück.«
»Er wird fürwahr jedes erdenkliche Glück gebrauchen können, meine Teure.«
Als R'shiel sich umdrehte, sah sie hinter sich, zwiscshen zwei anderen Fähnrichen, Loclon stehen. Sie hatte ihn bisher nur aus der Entfernung erlebt, aber musste nun einräumen, dass die Novizinnen und Seminaristinnen, die nur mit verträumten Worten von seinem Aussehen sprachen, es wohl zu Recht taten. Loclon war noch jung, kaum über zwanzig, trug schlichte lederne Beinkleider und kniehohe Stiefel sowie um die Hüfte eine blaue Schärpe und ein Schwert. Georj war ähnlich gekleidet, bloß hatte er eine rote Schärpe. Loclon bewegte sich mit unbekümmerter Anmut; auf seinem geschmeidigen, muskulösen Leib schimmerte im Fackelschein Öl. Georj war größer und hatte einen schwereren Körperbau als der Jüngere, der R'shiel an einen Leoparden erinnerte, welcher Gleichgültigkeit vortäuschte, während er sich seinem Opfer näherte, um es zu töten.
Loclon trat vor. »Ist das Eure Schwester, Hauptmann Tenragan?«
Es verdross Tarja sichtlich, dass Loclon ihn zu einer Vorstellung nötigte. »R'shiel, das ist Fähnrich Loclon.«
»Seid gegrüßt, Fähnrich«, äußerte R'shiel, indem sie sich zu einem nahezu unhöflich knappen Knicks zwang. Irgendetwas an diesem überaus gut aussehenden jungen Mann bewirkte, dass sich ihr die Haare sträubten. Seine Ausstrahlung verriet Überheblichkeit und Grausamkeit.
»Mir wäre es eine Ehre, Seminaristin R'shiel«, gab Loclon zur Antwort, »wenn Ihr auch mir Glück wünschen würdet.«
»Meinem Eindruck nach, Fähnrich, habt Ihr keinen Bedarf an etwas so Albernem wie Glück.«
Loclon lief rot an, während Georj und seine Kameraden in Gelächter ausbrachen. Flüchtig blitzte es gefährlich in den Augen des Jünglings, ehe es ihm gelang, Beherrschung zu bewahren.
»Dann ist es in der Tat sinnvoller, meine Teure, Ihr gewährt Eure guten Wünsche samt und sonders Hauptmann Drake. Der Alte kann's gebrauchen.« Schroff machte sich Loclon auf den Weg in die Arena.
Voller Besorgnis wandte sich R'shiel an den »Alten«, der allerdings kaum achtundzwanzig Jahre zählte. »Lass alle Vorsicht walten, Georj.«
»Sorge dich nicht um mich, R'shiel«, sagte er. »Bange um all deine vielen Genossinnen, die sich heute Abend, nachdem ich sein glattes Gesicht aufgeschlitzt habe, in euren Dormitorien in den Schlaf weinen.«
Wie Loclon begab sich nun auch Georj zur Arena. Seine Freunde begleiteten ihn, lachten viel, klopften ihm die Schulter.
»Tarja, du solltest nicht zulassen«, meinte R'shiel zu ihrem Bruder, »dass er in diese Gefahr rennt.«
Er legte einen Arm um ihre mageren Schultern und drückte sie sachte. »Ich kann es nicht verhindern, R'shiel, selbst wenn ich's wollte. Du brauchst keine Angst um Georj zu haben. Im Kampf hart erworbene Erfahrung siegt allemal über die Maulfechterei des Übungsplatzes.«
»Du bist genauso schlimm wie Georj. Ihr nehmt die Sache nicht ernst.«
Von den Rängen erscholl ein dumpfes Brüllen, als die zwei Kämpfer die Arena betraten.
»Geh heim, R'shiel«, empfahl Tarja leise.
Doch plötzlich fühlte R'shiel sich nicht mehr müde. »Nein, ich bleibe bei dir. Ich möchte den Kampf sehen.«
Tarja schüttelte über sie den Kopf, verzichtete jedoch auf Einwände. Gemeinsam gingen sie durch den Stollen zu dem hellen Rechteck, das den Zugang in die Arena kennzeichnete.
Das Duell nahm einen eher gemächlichen Anfang. Nur versuchsweise
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