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Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf

Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf

Titel: Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Fallon
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keinen Fingerbreit von seinem alten Platz verrückten Ankleidetisch, der so oft gewischt und geputzt geworden sein musste, dass er inzwischen glänzte. So weit wie R'shiel sich zurückerinnern konnte, hatte ein Gobelin, der Schwester Params herbe Erscheinung im Kreise des allerersten Quorums zeigte, die linke Wand vom Fußboden bis zur Decke geschmückt.
    Doch jetzt war der Holzrahmen leer, der zur Befestigung des Gobelins diente, und R'shiels Blick fiel auf das erstaunlichste Bildnis, das sie jemals gesehen hatte.
    Ein riesiger goldener Drache schwebte mit ausgebreiteten Schwingen von einer hohen Bergkette herab, auf deren mittlerem Gipfel in unglaublicher Schönheit ein weißer Palast emporragte. Die Umrisse der Darstellung waren in die Mauer eingeritzt worden, und doch fühlte sie sich beim Berühren glatt an. Trotz des großen Alters dieses Wandgemäldes waren die Farben keineswegs verblasst. Vielmehr wirkten sie noch heute ungemein lebendig, gerade so, als ob man durch eine Glasscheibe Einblick in eine fremde Welt nähme. Als R'shiel näher trat, wurden zahlreiche weitere Bestandteile des Bildwerks unterscheidbar. Was zuerst wie eine umfangreiche Landschaftsmalerei gewirkt hatte, offenbarte nun eine Fülle feiner Einzelheiten.
    An den Abhängen des Bergs, den der vieltürmige Palast krönte, wimmelte es von Gestalten nackter, goldbrauner Kinder, die zwischen Bäumen, deren Blätter mit wahrhaft liebevoller, sorgsamster Genauigkeit wiedergegeben worden waren, mit kleinen, grauen, runzligen Wesen umhertollten. Je länger R'shiel die Abbildungen betrachtete, umso mehr Vielfalt entdeckte sie und je mehr gab das Wandbild ihren Augen preis. Voller Verwunderung vermutete sie, hier stundenlang stehen zu können, ohne das Bild jemals vollständig zu erkunden und zu ergründen. Waren das die seit langem toten Harshini? Konnten die hoch gewachsenen, anmutigen Männer, die sich an Brüstungen lehnten, und ihre schwarzäugigen, vornehmen Damen Angehörige dieses untergegangenen Volkes sein? Hatte man in den gedrungenen, hässlichen Wesenheiten Dämonen zu sehen? Irgendwie hatte R'shiel sie sich weit Furcht erregender ausgemalt. Noch einmal sah sie sich den Flugdrachen an, fragte sich, wie irgendwer sich eine derartige Kreatur auch nur ausdenken konnte. Auf den Schultern des Drachen saß ein Reiter, gekleidet in eine dunkle, samtige und hautenge Lederkluft; das düsterrote Haar wehte ihm nach, sein Gesicht hatte einen Ausdruck der Hingerissenheit. R'shiel lächelte, während sie sich die Miene ansah; nur zu gut konnte sie sich vorstellen, ebenfalls einen solchen Gesichtsausdruck zu haben, wenn sie auf einem so herrlichen Geschöpf reiten dürfte.
    »Ich hoffe, du kriegst davon keine Albträume«, sagte Hella, als sie sich mit frischem Bettzeug an R'shiel vorbeidrängte. Die Alte streifte die Wandmalerei mit einem flüchtigen Blick und schauderte. »Du liebe Güte, da kann's einen ja wirklich gruseln.«
    »Es ist schön.«
    Jahrelang hatte R'shiel in ihrer Kammer geschlafen, ohne das Geringste vom Vorhandensein des Wandgemäldes zu ahnen. Allerdings hatte sie in öffentlichen Bereichen der Zitadelle andere Kunstwerke gesehen. Meistens wurden sie regelmäßig übertüncht, einige jedoch wiesen eine Oberfläche auf, die sich unweigerlich jedem Überstreichen widersetzte. Diese letzteren Bildnisse verhüllte man mit schweren Gobelins. Fast zählte es zum Brauchtum, sich auf jemandes Herausforderung einzulassen, im Kleinen Saal heimlich einen Blick hinter die Gobelins zu wagen, deren schlichte, anspruchslose Stickereien die Tugenden der Schwesternschaft verdeutlichten, und die verbotenen Harshini-Abbildungen anzuschauen. Aber noch nie hatte R'shiel ein Harshini-Wandgemälde bei vollem Tageslicht gesehen.
    »Schön?!«, schnob Hella. »Es ist grauenvoll. Guck dir bloß diese Heiden an! Keiner macht einen Finger krumm. Nichts als nackt umherhüpfen tun sie, und rammeln wie Tiere.«
    R'shiel musste das Wandbild ein ganzes Weilchen lang absuchen, bis sie das Paar fand, auf das sich Hellas Bemerkung bezog: Durch ein hohes Palastfenster sah man es in unmissverständlicher Umarmung, die R'shiel zum Erröten brachte. Sie überlegte, wie lange sich Hella das Gemälde wohl angesehen haben musste, bis sie das Paar gefunden hatte.
    »Ich werde mir alle Mühe geben, mich davon nicht beirren zu lassen«, versprach R'shiel.
    »Das kann ich dir nur raten«, ermahnte Hella sie, während sie die Bettdecke zurechtzupfte. Sobald sie das Bett

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