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Daemonenmal

Daemonenmal

Titel: Daemonenmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
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noch in die Länge. „Geh einfach, okay?“
    „Ich gehe.“ Er zog die Schultern zusammen. „Aber ich komme wieder. Deine Kochkünste sind eine einzige Katastrophe.“
    Damit war er fort, trottete mit den eigenartigen fließenden Bewegungen eines Werwesens davon. Ich stand da wie festgenagelt. Menschen rempelten mich an, strömten zu den Ausgängen, nun da alle sicher im Zug saßen. Als er zu Dom und Harp ins Abteil hüpfte, hallte das Geräusch seiner Füße, die den Boden meiner Stadt verließen, noch lange in meinem Herzen nach, wie eine gerissene Gitarrensaite.
    Ohne nach links oder rechts zu sehen, lief ich los. Es glich einem Wunder, dass ich es tatsächlich bis zum Parkplatz und zu meinem Impala schaffte. Den Armreif hielt ich fest umklammert in meiner schweißnassen Faust. Tränen ließen mir die Sicht verschwimmen, rannen über meine Wangen und wollten nicht einmal aufhören, als ich mich in den Fahrersitz fallen ließ. Ich legte den Kopf aufs Lenkrad und hörte ein Pfeifen, als der Fünf-Uhr-Zug den Bahnhof verließ und aus der Stadt tuckerte.

Epilog
     
    Das Leben ging weiter. Ich räucherte ein Nest von assyrischen Gestaltwandlern aus, sprengte einen Kinderpornografie-Ring von Tradern und wurde bei Micky’s nicht rausgeworfen, als ich mich endlich mit Avery auf ein Bier traf. Theron, der Wer-Barkeeper, nickte mir aus der verrauchten, schummrigen Lounge zu. Tatsächlich traf ich mich mit Avery einmal die Woche auf ein Bierchen. Einmal gingen wir sogar ins Kino und sahen uns einen grauenhaften Horrorfilm über Zombiejäger an. So ruhig ging es zu. Leider ertappte ich mich dabei, wie ich während des Films mit einem Messergriff spielte. Einer der Nebendarsteller hatte schulterlanges dunkles Haar und breite Schultern, außerdem war er auf eine so menschliche Art anmutig, dass mir die Tränen in die Augen traten. Avery bekam nichts mit.
    Woche für Woche ging ins Land, und schließlich kam die Zeit für meinen monatlichen Tribut. An einem grauen Samstagabend, als der Herbst Santa Luz in eine verdorrte, eintönige Decke gehüllt hatte, überwand ich mich zu einem Besuch im Monde. Perry schien nicht überrascht – allerdings schien er das nie. Er redete überhaupt wenig, gab mir nur Anweisungen, ihn auf den Rahmen zu spannen und die langen, flachen Flechets zu benutzen. Die Töne, die er von sich gab, waren die Sache fast schon wert, und ich war nahe dran – unglaublich nahe –, ihm die Kehle durchzuschneiden. Es wäre ein Kinderspiel gewesen.
    Ich hätte ihn töten können, während er dalag. Hätte ich.
    Tat ich aber nicht. Ich weiß nicht, was mich zurückhielt, aber ich vermute, es war die Erinnerung an das Silber im dunklen Haar eines Mannes und die Art, wie er meine Hand gehalten hatte, während gelb-weiße Flammen in den Himmel loderten und die Werwesen ihre uralte Totenklage anstimmten.
    Cenci war nicht die Einzige, die von einem Werwesen gerettet worden war. So viel konnte ich mir selbst inzwischen eingestehen.
    Als die Stunde um war, schwitzte ich, während dünner werdendes schwarzes Dämonenblut die Streckbank und den weißen Emailleboden des Zimmers besudelte, das Perry für seine kleinen Spielchen mit mir reservierte. Ich ließ ihn blutend und gefesselt zurück und ging zur Tür. Mein „Werkzeug“ warf ich achtlos zu Boden.
    Die Verlockung, ihn zu töten, war groß, fast überwältigend. Aber er war wehrlos, und wenn ich ihn jetzt umbrachte oder es auch nur versuchte …
    Nun machte er doch den Mund auf. Sechs kleine Worte. „Komm zurück“, wisperte er. Seine Stimme schwebte durch den Raum und liebkoste die Narbe auf meiner Haut. „Bring es zu Ende.“
    Ich zögerte keinen Moment lang, nahm die Beine in die Hand und rannte, verfolgt vom leisen Gelächter aus seinem blutenden Mund. Ich hatte ihn hart genug geschlagen, um seine Lippen in einen Brei aus schwarzem Fleisch zu verwandeln.
    Als ich endlich zu Hause ankam, stellte ich mich unter die heiße Dusche, schluchzte und schrubbte mich mit antiseptischer Seife, bis ich überall ganz wund war. Das Wasser, das rosarot im Abfluss verschwand, war inzwischen eiskalt geworden. Danach ließ ich mich ins Bett fallen und drückte mich in die Kissen, die noch immer ein wenig nach rauchigem Moschus dufteten.
    Alles war beim Alten.
    Und doch war alles anders.
    Das Böse ruht nie. Ich weinte mich in den Schlaf, stand in der nächsten Nacht auf und machte mich wieder an die Arbeit. Aber vorher griff ich mir noch eine Flasche Wodka und besuchte

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