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Daemonenmal

Daemonenmal

Titel: Daemonenmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
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wippten mit. Das grelle Licht war eine praktische Ausrede, eine riesige Sonnenbrille zu tragen. Das angerußte und noch immer eiskalte Sonnenschwert hatte ich zu Galina gebracht. Wenn es jemals wieder genug Energie absorbieren könnte, würde ich es vielleicht benutzen.
    Vielleicht aber auch nicht. Bei dem Gedanken schauderte ich. Mein schwarzer Ersatzmantel knarzte. Ich trug schon wieder ein neues Paar Schuhe. Hoffentlich würde ich sie wenigstens eine Woche lang mal nicht vollbluten.
    Andererseits war es in der Stadt ein mächtiges Stück ruhiger geworden. Vielleicht war mein Ruf inzwischen einschüchternd genug, damit es auch so blieb. „Schon vergessen, Dom. Warum kommt ihr nicht mal vorbei, wenn die Apokalypse ausnahmsweise nicht bevorsteht? Vielleicht auf einen netten Grillabend oder so.“ Meine gute Laune hörte sich einfach zu aufgesetzt an. Ich hustete in meine Hand, als hätte ich immer noch Probleme mit meinem Hals.
    „Das machen wir mal.“ Dom grinste. „Ich sehe besser zu, dass Harp in den Zug steigt. Sie wird dich in ein paar Wochen anrufen.“
    Das bezweifelte ich. Nachsichtigkeit war nicht gerade ihr Ding. Und indem ich eine Höllenbrut zu einem Werscheiterhaufen geschleppt hatte, war ich ihr böse auf die Füße getreten. Den anderen Werwesen übrigens auch.
    Mir egal. Es war richtig so.
    Wenigstens war Dom mit mir einer Meinung, auch wenn er das nicht laut zugab. Saul … er sagte ohnehin recht wenig. Könnte daran liegen, dass ich ihm aus dem Weg ging.
    Nein, sogar ganz bestimmt. „Bis bald, Dom.“
    Er deutete mit zwei Fingern einen Salut an und wandte sich zum Gehen. Ich sah, wie er Harper einen Arm um die Schultern legte und sie in den Zug bugsierte. Sie waren ein anbetungswürdiges Paar und ernteten einige bewundernde Blicke.
    Saul hatte die Hände in den Taschen seiner Lederjacke vergraben und sah mich an.
    Ich betrachtete ihn eingehend durch meine Sonnenbrille. Mir blutete das Herz. Mein Kopf tat weh. Jede einzelne Faser in mir schmerzte.
    „Schätze, jetzt heißt es Lebewohl“, sagte ich fröhlich. Blinzelte hinter meinem Sichtschutz wie verrückt.
    Er schüttelte sachte den Kopf und blickte an meiner Schulter vorbei. In dem silbernen Rad und dem verdrehten, undefinierbaren Reif spiegelte sich helles Licht. Ich versuchte, mir jede Einzelheit seines Gesichts einzuprägen und es heimlich in meinem Gedächtnis zu verstauen wie ein Dieb.
    „Pass auf dich auf“, fügte ich hinzu. Ich redete Blödsinn. Wie ein Vollidiot.
    Seine Miene wurde zu Stein und seine Lippen schmal. Er nickte wie zu sich selbst, als hätte er gerade eine Entscheidung getroffen.
    Saul nahm die Hand aus der Tasche und hielt mir etwas hin, das ich nicht gleich erkannte. Ich kniff die Augen zusammen. Aber weder die dunklen Gläser noch die Tränen waren hilfreich.
    Es war ein Lederband mit einem Schnallenverschluss. Gerade weit genug für ein Handgelenk. Mein Handgelenk. Er hielt es mir entgegen, und ich nahm es. Fast gegen meinen Willen. Meine Hand schnellte wie von selbst hoch und griff es sich.
    „Das sollte länger halten als das Kupfer.“ Er steckte die Hand wieder in die Tasche, legte den Kopf zur Seite und sah mich an. Im Hintergrund ertönte die Ansage, dass der Zug bald abfahren würde. Überall um uns herum verabschiedeten sich die Menschen und stiegen eilig ein. „Wenn es sich abgetragen hat oder die Schnallen kaputtgehen, mach ich dir ein Neues.“ Seine Stimme versagte, als hätte auch er was im Hals. „Ich muss heim. Meine Mutter hat es verdient, dass ich ihr … alles erzähle.“
    „Ich weiß“, unterbrach ich ihn. „Mach es nicht noch schlimmer. Geh einfach. Beeil dich.“ Geh nicht. Bleib. Bitte bleib.
    Aber ich brachte es nicht über die Lippen. Es gab so viele Gründe, weshalb er nicht bleiben sollte. Er war ein Wer und ich ein Mensch – mit einem Hauch von Höllenbrut.
    Verdorben, auch wenn ich meine Seele behalten hatte. Egal, wie sehr ich mich dagegen wehrte, letzten Endes würde ich zur Hölle fahren. Und man hatte mir eben erst eine anschauliche Lektion erteilt, was mit Werwesen passieren konnte, die sich mit Höllenbrut einließen.
    Es war nicht fair. Es war gemein, grausam, absolut ungerecht.
    Egal, ermahnte ich mich. Herrgott, sieh zu, dass er geht. Damit er sicher ist.
    Er zog trotzig die Augenbrauen zusammen. Das ließ ihn nur noch besser aussehen. Seine dunkle Haut wirkte in der strahlenden Sonne schon fast zu wirklich. „Ich muss noch was loswerden.“
    Oh Gott. Zieh das nicht

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