Daemonenmal
stellte mir vor, wie es sein musste, hier draußen in der Dunkelheit von etwas gejagt zu werden und mich einzig mit menschlichen Reflexen und einer Standardwaffe wehren zu können. Mir gefror das Blut in den Adern.
Schließlich folgte ich einer halbwegs brauchbaren Spur, die sich leider als Flop herausstellte. Der Geruch führte im steilen Winkel vom Tatort weg, zurück zu den Autos und dann zum Ende des gelben Absperrbandes unten an der Straße. Nahe der Böschung löste er sich auf einmal in Luft auf. Eben noch beißender Gestank, dann gar nichts mehr, außer feuchtem, hohem Gras, sandigem Boden und dem Duft des Morgens.
Verdammt. Falls es eine Höllenbrut ist, kann sie sich vielleicht tarnen. Aber ein Dämon mit einem Partner? Wer würde schon mit einem von denen zusammenarbeiten? Die trauen sich ja nicht einmal untereinander über den Weg.
Trotzdem deutet alles daraufhin. Höllenbrut plus X – und das ergibt ein großes, beschissenes Problem.
Ich seufzte tief. Das war echt frustrierend. Allmählich wurde der Verkehr dichter, der Tag brach an. Ich hörte das unverkennbare Flappflapp eines Hubschraubers und blickte in den Himmel. Kanal Fünf war eingetroffen.
Fuck.
6
Mein Lagerhaus roch nach Staub, und im Kühlschrank fand ich nur eine Take-Away-Schachtel voll mit flaumig grünem Zeug, das irgendwann einmal Hühnchen „Chow Mein“ gewesen sein musste. Ich schlug die Tür wieder zu, lehnte die Stirn an die kühle Oberfläche und atmete durch.
Im Augenblick konnte ich nichts tun. Wenn der Abend dämmerte, würde ich mich aufmachen, die Stadt zu durchkämmen. Wenn etwas dermaßen zum Himmel stank, dann musste es Spuren hinterlassen. Und dieser Hauch von Höllenbrut verriet mir auch, wo ich meine Suche beginnen würde. Wenn irgendein Höllenbewohner auf einmal eine Vorliebe für Polizistenfleisch entwickelte, würde irgendjemand irgendwas darüber wissen.
Du weißt, was das heißt: Du wirst ihn diesmal etwas früher beehren müssen.
Ich schob den Gedanken beiseite, raffte mich auf und schleppte mich aus der Küche. Das Essen konnte warten. Ich öffnete den Schrank über der Spülmaschine und holte die Flasche hervor. Dann schenkte ich mir einen ordentlichen Schluck Scotch ein und leerte das Glas in einem Zug. Goss nach und genoss das kurze Brennen in meiner Kehle.
Schon besser. Zumindest ein bisschen.
Die Lagerhalle hatte mir Michail hinterlassen. Die Wände ächzten, jedes Geräusch hallte vielfach von ihnen wider. Dank der Akustik und der weiten, offenen Flächen konnte sich hier nichts und niemand unbemerkt an mich heranschleichen. Mein Bett stand in der Mitte des Schlafzimmers, weit weg von den Wänden. Die Trainingsfläche war sauber, sie wurde regelmäßig gekehrt. An einer der Wände summte neben all den anderen säuberlich aufgereihten Waffen unter bernsteinfarbener Seide etwas Längliches, Speerförmiges.
Dort hing Michails Schwert in seiner Scheide. Die gegabelte Kreuzblume am Ende des langen Hefts mit der Öffnung im Knauf schimmerte im goldenen Licht. Die Scheide – verschlissenes, weiches Leder – glühte, während das Schwert aus dem Flecken Sonnenlicht, das darauf fiel, Kraft schöpfte. Metall vibrierte und sang sein stilles Lied. Durch das Dachfenster strömte inzwischen grelles Licht. Es sah aus, als würde eine strahlende Klinge durch ein offenes Auge dringen.
Ich schlurfte aus der Küche und wischte dabei halbherzig mit der Hand etwas Staub von der Arbeitsfläche. Meine Füße tappten über den Holzboden, durch das Wohnzimmer und den kurzen Gang hinunter bis ins Schlafzimmer. Auf dem einzigen Stuhl lag mein Mantel, und mein Bett – zwei Matratzen und ein Chaos an Decken – sah unglaublich verlockend aus.
Vielleicht ein kurzes Nickerchen, damit ich heute Abend fit bin. Neben dem Bett stand das Telefon, und der Anrufbeantworter blinkte rot glühend, was nie etwas Gutes versprach.
Ich drückte auf „Play“ und ließ mich aufs Bett fallen, wo ich mich so lange herumwälzte, bis die Schwertgriffe nicht mehr so schlimm drückten. Dann vergrub ich das Gesicht in den Kissen.
„Jill? Ich bin’s, Galina. Ich hab gerade neues Kupfer reinbekommen, das vielleicht für dein Handgelenk taugt. Komm einfach vorbei.“
Ganz bestimmt sogar. Meine Arme und Beine fühlten sich schwer an. So unglaublich schwer. Das Sonnenlicht ist der Verbündete eines jeden Jägers. Es bedeutet Ruhe und Erholung. Üblicherweise lassen sich die Bösen tagsüber nicht blicken. Sie warten auf den Schutz der
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