Daemonenmal
Flüstern war wesentlich eindrucksvoller als Schreien. „Die Toten lässt man ruhen. Das weißt du ebenso gut wie ich.“
Dominic sah eine Gelegenheit und packte sie beim Schopf. „Hey, Jill.“ Er musste nicht besonders laut sprechen, sie wussten wahrscheinlich alle, dass ich hier war. Das ist der Nachteil an guter Akustik – jeder weiß, wenn ich im Haus bin.
Es sei denn natürlich, ich wollte das nicht.
Ich verschränkte die Arme, damit man nicht sah, wie sehr meine Hände zitterten. Ich hob eine Augenbraue und hörte getrocknetes Blut knistern. „Hab gehört, die Missgeburt ist entwischt.“
„Nur eine Frage der Zeit. Werwesen laufen in der ganzen Stadt Patrouille. Wenn wir ihn erst mal wieder aufgescheucht haben, wird das sein letzter Lauf werden.“ Seine dunklen Augen glitten über meinen Körper, und er blähte leicht die Nüstern. „Du siehst schrecklich aus. Was ist passiert?“ Er deutete mit dem Daumen in Richtung Gangende und hob die Augenbrauen. Eine stillschweigende, aber aussagekräftige Warnung. Guter, alter Dominic.
„Ich hab mich mit der Freundin von unserem entarteten Freak geprügelt und sie ins Fenster eines Refugiums geschmissen.“ Und Perry hat dabeigestanden und zweifellos irgendeine Gemeinheit im Schilde geführt. Aber das behielt ich für mich. Genauso wenig erwähnte ich, dass mich einer von beiden in die Falle gelockt hatte und ich noch immer nicht wusste, wer.
Dominic lachte sogar, ein voller, gelassener Klang. Er hatte ein hübsches Gesicht mit einem kantigen Kinn, attraktiv auf seine Art. Er klemmte sich die Haarsträhne gedankenverloren hinters Ohr, und für einen Moment konnte man seine Zweitwaffe sehen. „Immer hast du den ganzen Spaß. Ich hab mir gerade den Arsch aufgerissen, um einen Entarteten einzufangen, der sich einfach in Luft aufgelöst hat.“
„Ja, heute hat jeder tief ins Klo gegriffen.“ Ich folgte ihm ins Wohnzimmer und wünschte mir, das Haus wäre leer, damit ich aus meinen Klamotten schlüpfen konnte. Im Moment war nichts so verlockend wie die Vorstellung einer Dusche, gefolgt von einem großen Scotch und einem Nickerchen und zuletzt einem Flammenwerfer, um einer ungezogenen Höllenbrut die Leviten zu lesen.
Harp ließ sich, weiß vor Wut, auf mein Sofa fallen. Selbst die Federn in ihrem Haar schienen erblasst zu sein, und sie waren etwas zerzaust – auf ihre Art ebenso erschreckend wie Dominics lose Haarsträhne. Sie waren beide so pedantisch, dass alles, was nicht absolut perfekt war, sofort wie ein Leuchtfeuer auffiel.
Saul, der mit vor der Brust verkreuzten Armen dagestanden hatte, ließ die Hände nun baumeln. Er sah bleich und abgespannt aus unter seinem bronzenen Teint. Seine Augen wirkten wie glühende Kohlen und waren denen einer Katze ähnlicher denn je. Er kochte im wahrsten Sinne des Wortes vor Wut, während er Harp anblitzte. Mir drängte sich das Bild einer Hauskatze auf, die mit aufgestelltem Fell einen Hund anstarrte. Dass sie beide Werkatzen waren, machte die Vorstellung nur umso komischer.
Ich verkniff mir ein Lachen. Aber nur knapp.
Saul sah mir in die Augen, und die Welt schien einen Herzschlag lang stillzustehen.
Es war immer noch da. Dieses Gefühl einer Verbindung, als wüsste er über mich Bescheid. Er sah etwas in mir, wonach niemand – nicht einmal Michail -jemals gesucht hatte.
Es war nicht fair. Woher nahm er das Recht, mich so anzuschauen?
„Geht’s dir gut?“ Saul wandte den Blick nicht ab, aber er hätte schon blind sein müssen, um meinen extravaganten Anstrich nicht zu bemerken. Ich sah aus, als hätte man mich in Blut getunkt, luftgetrocknet, dann wieder eingetaucht und ein- oder zweimal durch einen Wasserfall gescheucht.
Regen trommelte wie in Sturzbächen aufs Dach und überschwemmte die Wasserrinne. In der Wüste gab es bestimmt eine Sturzflut, und vielleicht würden wir eine kurze Blütezeit haben. Blitze fielen wie geölte Kugeln durch die Rouletteräder im Himmel. Vielleicht zockte Gott einmal mehr mit den Leben der Menschen – in der Hoffnung auf ein besseres Ergebnis als beim letzten Versuch.
„Ging mir schon schlechter.“ Irgendwie war mir die Luft ausgegangen. Ich wünschte, er würde mich nicht so ansehen. „Und selbst?“
„Ging mir schon besser.“ Seine Mundwinkel schoben sich nach oben. Ich fühlte das Echo auf meinen Lippen.
Kein Zweifel. Hier geht etwas Merkwürdiges vor sich. Ich schaffte einen tiefen Atemzug. Wir sahen uns an. Ich konnte die Spannung zwischen uns förmlich
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