Daemonenmal
spüren – ich wollte mich losreißen, und er zog mich näher.
„Hast du Hunger?“ Die Haare hatten sich wieder gelegt, und seine Stimme klang weicher.
Trotzdem hatte ich den Eindruck, als würde er eigentlich etwas anderes fragen.
„Könnte einen Happen vertragen.“ Ich wich seinem Blick nicht aus. Worauf hatte ich gleich noch mal geantwortet?
„Ich kümmere mich drum.“ Er drehte sich mit Schwung und wehendem Mantel um. Blieb stehen. Machte kehrt, als hätte er etwas vergessen. „Ich bin froh, dass es dir gut geht“, sagte er plötzlich. Herausfordernd.
Bitte nicht jetzt. Fangjetzt bloß keinen Streit mit mir an. „Ich auch.“ Ich hätte mich ohrfeigen können – selten dämliche Antwort. Ich versuchte, die Wogen zu glätten. Neuland für mich. „Ich meine, ich bin auch froh, dass es dir gut geht. Ja.“
Wer behauptet, man kann einer alten Jägerin keine neuen Tricks mehr beibringen?
Dominic murmelte etwas Unverständliches. Ich fuhr herum, aber er machte ein Gesicht wie ein Unschuldslamm, presste die Lippen fest aufeinander und war auf einmal immens an meiner Einrichtung interessiert.
„Ihr zwei.“ Harp lehnte sich zurück, reckte ihren Hals nach vorne und legte sich den Arm über die Augen. Eine einzelne Feder flatterte aus ihrem Haar auf das orangefarbene Kunstleder, und für einen Moment lang schämte ich mich zutiefst für mein schäbiges Zuhause. „Könnt ihr uns bitte mal aufklären? Was um alles in der Welt geht hier vor sich?“
Wie die Forensiker konnte auch sie nicht gut mit dieser Art von Ungewissheit umgehen.
Ich holte tief Luft. Sauls Augen waren unergründlich, sehr dunkel und schweigsam.
Ich ließ die Bombe platzen. „Ich bin bei Galina auf Cenci gestoßen. Sie hat mich nicht sofort erschossen.“ Das verschaffte mir sämtliche Aufmerksamkeit und ganze zehn Sekunden Stille, die ich mit dem nächsten Knüller beendete. „Ich glaube, dass sie vielleicht Hilfe braucht. Ich glaube, sie und der Werfreak sind ein Paar, und ich weiß aus verlässlicher Quelle, dass sie schwanger ist. Womöglich mit einem Mischling.“
23
Harp schüttelte den Kopf. „Das glaube ich einfach nicht. Es ist unmöglich.“
Was war das noch mal, was Sherlock Holmes über das Unmögliche gesagt hat? „Es ist nur eine Theorie.“ Ich nahm noch einen Schluck von dem brennenden goldenen Alkohol. Der Duft nach gebratenem Hühnchen unterwanderte den öligen grünen Geruch nach Regen und Blitzen. „Ihr müsst zugeben, es klingt logischer als alles andere. Außerdem erklärt es, warum Navoshtay so heiß darauf ist, sie eigenhändig wieder heimzuschleifen. Mir ist zu Ohren gekommen, dass er gerne herumexperimentiert.“
Wir saßen an der Frühstücksbar. Saul machte sich in der Küche zu schaffen, jeder Schritt so anmutig wie der eines Tänzers. Er hatte den Mantel abgelegt, und ich versuchte, nicht ständig auf seine Muskeln zu starren.
Harp kippte ihren Jim Beam runter und studierte stirnrunzelnd die Rückstände im Glas. „Experimente.“ Sie schauderte. „Jemand sollte dieses Dreckschwein ins Jenseits befördern.“
Ja, jemand sollte. Aber im Moment steht er auf meiner Liste ziemlich weit unten. „Man hat es schon früher versucht. Mehrmals. Ohne großen Erfolg, wie ich hinzufügen darf.“
„Warum macht er diese Versuche? Was erhofft er sich? Einen Mischling? Angenommen, dass das überhaupt möglich ist – so rein genetisch gedacht.“ Dominic stellte sein Bier ab, hob die Arme aus und streckte sich. Er hatte die Lederriemen gelöst, und sein Pferdeschwanz lag nun lose auf dem Rücken.
„Es gibt Legenden über weibliche Werwesen, die von Höllenbrut vergewaltigt worden sind.“ Allein bei der Erwähnung fühlte sich mein Mund trocken und klobig an. „Vielleicht will Navoshtay diesen Geschichten auf den Grund gehen.“
„Diese Geschichten sind erfunden.“ Harp machte eine schnelle Bewegung wie eine Katze, die man auf den Schwanz getreten hat. „Außerdem sind wir menschlich, die nicht.“
„Naja …“ Dominic trommelte nachdenklich mit den Fingern auf der Theke herum. „Navoshtay ist ein Sadist. Wer weiß, was sein eigentlicher Grund für dieses … Experiment ist? Mal angenommen, es hat überhaupt stattgefunden.“
„Wer weiß schon, was überhaupt in Höllenbrut vorgeht?“, grummelte ich in mein Glas und schielte ins Leere. Die Erschöpfung saß mir in allen Gliedern.
„Jäger.“ Harp klang nicht besänftigt. Eher wütender denn je.
Wenn wir wirklich so viel wüssten,
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