Dämonenturm - Band 1: Stein auf Schädel (German Edition)
und vergessen. Neugierig schwang Mjir die Beine aus dem Bett, packte den danebenstehenden Stuhl und schleppte das schwere Möbel ohne große Schwierigkeiten hinüber zu der metallenen Gestalt. Dann kletterte er auf die Sitzfläche und spähte durch den schmalen Spalt am oberen Ende des Helms.
»Ihr seid also doch da drin! Habt Ihr mich nicht gehört?«
Schweigen.
»Ich meine, ich kann mich auch mit mir selbst unterhalten«, fuhr der Junge im Plauderton fort. »Aber es ist auf die Dauer recht langweilig. Außerdem, wenn Ihr nicht mit mir reden wollt, könntet Ihr wenigstens das sagen. Dann wüsste ich, woran ich bin.«
Ein schepperndes Seufzen erklang aus dem Inneren der Rüstung. »Weißt du nicht, Junge, dass wir im Dienst nicht sprechen dürfen? Ich habe den Befehl bei dir Wache halten, und solange wir wachen, müssen wir schweigen. So verlangt es das Gesetz unserer Vorväter.«
»Oh. Aber jetzt habt Ihr mit mir gesprochen, oder?«
»Ja.« Zwei scharfe Augen unter buschigen Augenbrauen sahen ihn aus dem Düstern hinter dem Eisen halb verärgert, halb amüsiert an. »Vor Neugier ist auch ein Rittgardist des ewigen Königs nicht gefeit. Kaum zu glauben …«
»Was ist kaum zu glauben?«
»Du. Wie alt bist du, Knabe?«
»Fünfzehn.«
»Wirklich, kaum zu glauben …«
» Was? «
»Ich habe ein Gerücht gehört, der Knabe von der Steininsel soll in die Garde aufgenommen werden. In die Garde . Du weißt nicht, was das heißt, oder?«
«Mjir zögerte. »Ist … es etwas Besonderes?«
»Er frag, ob es etwas Besonderes ist, in die Garde aufgenommen zu werden. In die Garde des Himmelspalastes . Knabe, das ist der Traum jedes Jungen, der alt genug ist um zwei Wörter aneinander zu hängen! Es ist die größte Ehre, die einem widerfahren kann! Nur die nobelsten unter den Herren werden nach jahrelangem Stählen ihrer Kräfte dafür in Erwägung gezogen! Und er fragt, ob es etwas Besonderes ist, beim Dämon!«
Verlegen lächelnd kletterte Mjir von dem Stuhl. »Nun, es ist sehr nett vom König und ich bin sehr dankbar … aber eigentlich wollte ich Bänkelsänger werden.«
«Der Bewaffnete legte seinen Kopf zurück und ein ohrenbetäubendes Scheppern und Krachen erfüllte den kleinen Raum. Der Mann lachte. Lachte, dass seine Rüstung nur so bebte und klirrte.
»Bekommt die Chance eines Lebens als Rittgardist und will lieber Fiedel spielen und Singsang trällern! Junge, du bist fantastisch. Erwähne das lieber nicht zu laut, wenn dir dein Kopf lieb ist.«
Mjir erbleichte. »W-würde der König mich … d-deswegen …«
»Der König?« Ein letztes Schnaubklirren folgte dem Gelächter. »Im Traum nicht, aber die Hälfte aller dreitausend Rittgardisten in der Stadt. Und sie würden wohl zu spät kommen, weil dir Herr Drakembart wahrscheinlich schon den Bauch aufgeschlitzt hätte.«
»Mmg.«
Langsam bekam der junge Felswinder Zweifel, ob sich seine Situation gegenüber der in seiner Heimat wirklich verbessert hatte.
»Drakem … wie war das noch?«
»Herr Drakembart von Lortfelt ist der Ausbilder der Rittgardisten. Du wirst ihn schon bald kennen lernen.«
»Kennen lernen wie in ‚Du wirst mich noch kennen lernen!’?«
»Du begreifst schnell, Junge.«
»Psst! Ich höre Schritte!«
Sofort stellte sich der Rittgardist wieder in seine ‚ich bin ein stummes Möbel’-Haltung. Mjir wartete nervös, wer wohl kommen würde. Als sich die Tür öffnete, atmete er erleichtert auf.
»Irustar!«
»Mjir!«
Die beiden Freunde fielen sich in die Arme. Erst als sie sich wieder voneinander gelöst hatten, bemerkte Mjir, dass hinter dem Sänger noch jemand den Raum betreten hatte: ein ältlicher Mann mit wilder Frisur und freundlichen, etwas vage in die Welt blickenden Augen.
Alagotis, der Mjirs neugierigen Blick bemerkt hatte, legte dem Alten die Hand auf die schmale Schulter.
»Wenn ich vorstellen darf, Mjir, das ist mein alter Lehrmeister, Meister Ladwrik. Ladwrik, das ist Mjir Blaubart.«
Der weißhaarige Sänger nickte dem Jungen freundlich zu.
»Wir haben deinen dramatischen Auftritt beobachtet, Knabe.«
»Ja …«
Als ihm die jüngsten Ereignisse wieder in Erinnerung kamen, verflog Mjirs kurzes Hochgefühl des freudigen Wiedersehens. Er ließ sich zurück auf das Bett fallen und blickte zu den beiden Poeten vor ihm empor.
»Alagotis … ich … glaube, ich kann kein Sänger werden.«
»Ja«, erwiderte dieser sanft. »Ich weiß. Kopf hoch. Das Leben als Rittgardist ist nicht schlecht. Es ist schon lange
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