Dämonisches Tattoo
Betäubungsmittel nicht die Idee des Indianers gewesen war. Keine angenehme Erkenntnis. Es ging ihm nicht einmal darum, dass Frank ihm irgendwelche Medikamente eingeflößt hatte. Was ihn vielmehr beunruhigte, war die Frage, wie sehr er sich bereits in seinen Wahn hineingesteigert hatte – und wie weit er gehen würde, um diesen Killer zu fassen.
»Ihr beide solltet lieber zusehen, dass ihr mich schnell losmacht.« Als er sah, wie Frank den Kopf schüttelte, wandte er sich an den Indianer. »Ein Angriff auf einen Bundesbeamten ist kein Kavaliersdelikt, Mr Quinn.«
»Das ist mir bewusst.« Er zog ein kleines Messer hervor, das in einer Lederscheide an seinem Gürtel gesteckt hatte, und machte sich daran, den Docht einer dicken weißen Kerze zurechtzustutzen. »Ich bin mir sicher, dass es sich mildernd auswirken wird, wenn Ihnen der Schlitzer dank meiner Hilfe ins Netz geht.«
Dem Mann sollten vor Angst die Beine schlottern angesichts der Tatsache, dass ihn diese Aktion hier für fünfzehn Jahre hinter Gitter bringen konnte – stattdessen redete er nur davon, den Killer zu schnappen.
»Ich werde einen indianischen Geist heraufbeschwören und an Sie binden, Agent Ryan.« Quinn griff nach einem kleinen Lederbeutel und schüttete etwas, das nach einer getrockneten Kräutermischung aussah, in eine der Schalen. »Der Geist des Jägers wird Sie auf die Spur des Mannes führen, den Sie suchen.«
»Wer sagt Ihnen, dass nicht Sie und Frank die Ersten sein werden, nach denen ich suche, sobald ich diese Stricke los bin?«
Quinn ließ den Beutel sinken und sah Chase an. »Sie wollen ihn und Sie werden sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen«, sagte er voller Überzeugung.
Was nicht bedeutet, dass ich mir euch beide nicht auch noch vorknöpfen werde.
»Nehmen wir einmal an, ich würde Ihr Zauberspielchen mitspielen: Was würde passieren? Wie wollen Sie mir diesen Dämon ans Bein binden?«
»Es ist ein Geist, ein spirituelles Wesen – kein Dämon.« Der Indianer warf einen Blick zu Frank, und erst als dieser nickte, fuhr er fort: »Ich werde eine Tinte mischen, zu deren Bestandteilen neben Ihrem Blut auch das des Killers gehört.«
»Das wir nicht haben.«
»Doch, Chase, wir haben es.«
Franks Worte ließen ihn aufsehen. Ein einziges Mal war es einem Opfer gelungen, sich gegen seinen Peiniger zu wehren. Die Frau musste ihn gekratzt haben, denn unter ihren Fingernägeln fanden sich neben DNA-Spuren auch Reste getrockneten Bluts. »Du hast es aus dem Labor geklaut?«
»Offiziell warst du es. Ich war so frei, deine Fingerabdrücke an den Behältnissen anzubringen, als du dich vorhin ausgeruht hast.«
Chase versuchte das geisterhafte Grinsen seines Freundes ebenso zu ignorieren wie die Tatsache, dass man ihn des Diebstahls von Beweismitteln verdächtigen würde. Darüber konnte er sich Gedanken machen, wenn er hier raus war. »Sie mischen also eine Tinte und pinseln irgendwelche Zauberrunen an die Wand?«
Der Indianer wand sich sichtlich unter seinem Blick.
»Er wird dir mit dieser Tinte ein Tattoo stechen«, half Frank aus. »Keine Sorge, die damalige Blutuntersuchung hat ergeben, dass der Kerl gesund war – du kannst dir also nichts holen.«
»Ein Tattoo?« Chase glaubte sich verhört zu haben. »Ihr wollt mich verarschen! Glaubt ihr im Ernst, dass ihr damit durchkommt?«
»Was wir glauben oder nicht, braucht dich in diesem Fall nicht zu kümmern.«
Großartig! Jetzt war Frank endgültig durchgedreht. Die Trauer um seine Frau hatte ihn um den Verstand gebracht, und wenn es Chase nicht gelang, ihn in Gewahrsam zu nehmen, würde er womöglich noch ernsthaften Schaden anrichten. Blieb nur die Frage, wie er die Fesseln loswerden sollte.
Am Tresen rührte Joseph Quinn seine Tinte an, mischte Zutaten aus verschiedenen daumengroßen Fläschchen zusammen, fügte eine rotbraune Flüssigkeit hinzu, die viel zu sehr nach Rost aussah, und sah dann erneut Chase an. »Fehlt nur noch Ihr Blut.«
»Was ich ganz sicher nicht kampflos hergeben werde!«
»Das dachte ich mir schon, deshalb war ich so frei, auch hierfür deinen Schlaf auszunutzen.«
Erst da wurde ihm bewusst, dass einer seiner Hemdsärmel nach oben geschoben worden war. »Frank, du verdammter –«
»Reg dich nicht auf, das ist nicht gut für dein Karma.«
»Der Geist des Jägers ist eine alte indianische Gottheit.« Quinns Stimme hatte an Festigkeit verloren, als wäre er nicht länger überzeugt, das Richtige zu tun. Trotzdem hörte er nicht auf, in
Weitere Kostenlose Bücher